Schon 5 Tage nach Schulbeginn und 8 Tage nachdem bekannt wurde, dass sich die Bundesregierung gegenüber Erdogan und vor allem den Deutschtürken opportunistisch weggeduckt hat, ist NRW als Bundesland mit der größten türkischen Gemeinde als erstes über die Inzidenz von 100 geschossen (Anm.d.Red.: Siehe mein Blog vom 13.08.21, `Pandemie der Ungeimpften, Teil 1`. Es ist ernüchternd zu sehen, wie die Bundesregierung bei den türkischen Heimaturlaubern von seiner, zugegeben diskussionswürdigen, weil uneffektiven Strategie der alternativlosen Infektionsvermeidung abweicht, nur um Tumulten an den Flughäfen und in der Folge tausendfacher Quarantänemissachtung aus dem Weg zu gehen). Es sei an dieser Stelle einmal mehr angemerkt, dass ich kein Problem mit einer hohen Inzidenz habe. Im Gegenteil, die Delta-Variante ist weitaus weniger gefährlich und alle Risikogruppen sind geimpft. Eine vollständige Öffnung wie aktuell in Großbritannien würde demnach von mir auch für Deutschland präferiert.
Nun ist es eine Sache, wenn in diesen Zeiten Leute an den Hebeln der Macht sitzen, die solcherlei Vorschlägen eher ablehnend gegenüberstehen. Infektionsschutz um jeden Preis mag nicht meine favorisierte Corona-Strategie sein, aber immerhin wäre es ein Stiefel gewesen, den die Bundesregierung hätte durchziehen müssen, um glaubwürdig zu bleiben. Es ist deshalb unerträglich, wie die deutsche Politik umgehend ihren, angeblich so wichtigen und effizienten Corona-Fahrplan ignoriert, sobald Effekte eintreten, bei denen augenscheinlich und/oder ausschließlich Migranten involviert sind (Anm.d.Red.: Alle Parteien, mit Ausnahme der AfD, die leider einmal mehr meine Meinung vertritt, aber deshalb noch lange nicht wählbar wird). Plötzlich spielen die angeblich so etisch und moralisch wichtigen Werte, wie die Vermeidung von Corona-Opfern, Long-Covid und die Überlastung des Gesundheitssystems nur noch eine untergeordnete Rolle. Was bleibt, ist nur noch die Angst, man könne als Person oder Partei in die Nähe rechter Gedanken gerückt werden (Anm.d.Red.: Neben der Political Correctness-Keule in der heutigen Zeit eine der besten und deshalb inflationärst genutzten Totschlagargumente zur Vermeidung jeglicher Auseinandersetzung auf Sachebene).
Nun könnte man als verantwortlicher Politiker fairerweise die Klappe halten und hoffen, dass niemand dieses heiße Eisen anpackt. Die Chancen hätten sicher gutgestanden, schließlich sind die Medien noch weit davon entfernt die Corona-Strategie der Regierung grundsätzlich in Frage zu stellen, selbst wenn die Infektionszahlen, wie jetzt nun schon zum vierten Mal wieder steigen. Leider hat bereits die Vergangenheit mehrmals gezeigt, dass es die politischen Verantwortlichen damit nicht bewenden lassen und schon musste das deutsche Volk im Allgemeinen einmal mehr den Kopf dafür hinhalten, dass die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung wenig nützen oder, wie hier ohne Not auch noch unterlaufen werden (Anm.d.Red.: Dabei habe ich in den 18 Monaten meiner Blogrecherchen ganz im Gegenteil die Beobachtung gemacht, dass sich die Bevölkerung seit Pandemiebeginn vollkommen gleich verhält und kaum zwischen den einzelnen Lagern wechselt. Einmal Coronatiker, immer Coronatiker und damit Verfechter jeglicher Corona-Regeln. Wer dagegen die Corona Maßnahmen von Anfang an kritisiert hat, wird nicht plötzlich zum Jünger von Heiland Söder und ändert sein Pandemieverhalten hin zu sinnloser Corona-Regel-Hörigkeit. Somit ist es unwahrscheinlich, dass eine, sich ständig ändernde Haltung, blumig von der Bundesregierung unter anderem mit Schlagwörtern wie Partytourismus, Corona- oder wahlweise Impfmüdigkeit belegt, für das Pandemiegeschehen verantwortlich ist. Die signifikanten Einflüsse auf das Pandemiegeschehen, wie Klima, Corona-Saison und ständige Corona-Mutationen mögen zwar weit weniger sexy sein, wenn es darum geht sich gerade im Bundestagswahlkampf vor dem Volke als Retter in Corona-Zeiten hinzustellen, nichtsdestotrotz plausibler als eine Bevölkerung mit hochvolatilem Verhalten herbeizufantasieren. Insbesondere dann, wenn 80% davon meinungsbefreite Mitläufer sind, die ohnehin nur unreflektiert die Corona-Regeln beachten).
Es mag eine Sache sein, aus Eigennutz stillschweigend seine Prinzipien zu verraten, es ist allerdings eine ganz andere, jemand anderen hinzuhängen, nur um den eigenen Arsch an die Wand zu bekommen. So ist es also nicht wenig verwunderlich, allerdings auch gleichermaßen frustrierend, wie schnell die Verantwortlichen in Bundes- und Landespolitik in ihren Aussagen umgeschwenkt sind. Noch vor ein paar Wochen waren es die eigenen großartigen Corona-Verordnungen und die folgsame Bevölkerung, mit der man sicher glaubte, die Pandemie endgültig besiegt zu haben. Jetzt da die Zahlen wieder ansteigen und man sich mit einer feigen Haltung gegenüber den Deutschtürken gerade einen Infektionsbooster gegönnt hat, kommen sie wieder auf, die alten Märchen vom uneinsichtigen Deutschen, der fehlenden Rücksichtnahme und dem egoistischen Impfverweigerer.
Der feige Umgang der Bundesregierung mit den türkischen Heimaturlaubern mag armselig gewesen sein, er wird aber letzten Endes für den Pandemieverlauf nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Infektionszahlen werden in den nächsten Wochen und Monaten ohnehin ansteigen, unabhängig davon, ob man dem Kind nun den Namen ´vierte Welle´ oder ´alljährliche Corona-Saison´ gibt. Gerade vor der Bundestagswahl ist es als Regierung deshalb umso wichtiger dem Volk zu versichern, dass es keinen erneuten Lockdown geben wird. Allerdings gilt es nun schnellstens Mittel und Wege zu finden, wie man dieses hehre Ziel erreichen kann, ohne die eigene Strategie zu verraten und somit nachträglich als falsch und gar desaströs zu brandmarken. Wie solcherlei Absicht glorreich scheitern kann, hat einmal mehr Jens Spahn gezeigt. Den haben seine Parteikollegen heute offensichtlich vorgeschickt, weil sie ihn immer noch für fähig halten, dem dummen Volk nach wie vor wirklich jede Frikadelle ans Knie zu nageln.
Bereits seit Herbst letzten Jahres hätte er eine Chance gehabt als Verantwortlicher der Bundesregierung in Sachen Corona auf Fachleute, wie beispielsweise Professor Streek zu hören und statt eines zweiten Lockdowns eher die Zahl der Intensivbettenbelegung in den Vordergrund zu stellen. Er hat in der Folge aber lieber auf seinen Kumpel Lothar Wieler gehört und stur an der Inzidenz festgehalten. Noch vor zwei Wochen hatte er einigermaßen unauffällig die letzte Chance nutzen können, um bei niedrigen Inzidenzen eine neue Marschrichtung vorzugeben. Doch auch hier war er zu feige, ohne die Rückendeckung des RKI einen neuen Weg einzuschlagen (Anm.d.Red.: Siehe meinen Blog vom 11.08.21, `Spalter´). Indem er dann heute angekündigt hat, die 50er Inzidenz aus dem Pandemiegesetz kassieren zu wollen und mehr auf die Situation auf den Intensivstationen zu achten, hat er aber nur den dringend notwendigen Kurswechsel der Union eingeläutet, ohne den man das Versprechen, keinen Lockdown mehr zu veranstalten, noch nicht einmal bis zum 26. September hätte einhalten können. Damit hat er sich in meinen Augen zwar in etwa so lächerlich gemacht, wie der notorische Mittelspurfahrer auf der Autobahn, der eines Tages zum ersten Mal der Existenz der rechten Spur gewahr wird und sie in der Folge seinen Mitmenschen als bahnbrechende Entdeckung verkaufen will. Allerdings dürfte es Corona-technisch die einzige Möglichkeit gewesen sein, die vielleicht verhindert, dass Armin Laschet auch hier einen gehörigen Arschtritt kassiert und noch weiter hinter seine Konkurrenten bei der Bundestagswahl zurückfällt.
In der Öffentlichkeit ist allerdings nicht weiter aufgefallen, dass Jens Spahn mit diesem Vorstoß nur dem Gott des Offensichtlichen und parteipolitisch Notwendigem gehuldigt hat. Die versammelte Journalistenmischpoke hat es nämlich mit unbewegter Miene und, wie stets ohne kritische Fragen hingenommen. Im Gegenteil, statt das Wendemanöver der Bundesregierung als solches anzuprangern, hat man so getan, als würde der Bundesgesundheitsminister einen einsteinschen Geistesblitz formulieren, den es galt, in der Folge von allerlei Experten erklären zu lassen (Anm.d.Red.: In diesem Zusammenhang bin ich auch etwas enttäuscht von dem Virologen Professor Klaus Stöhr. Der fordert schon seit langen ein Umdenken in der Corona-Politik. Deshalb hätte ich mir im anschließenden Interview bei ´Welt` neben einigen wichtigen Zusatzinformationen, die sicherlich interessant waren, zumindest den Hinweis gewünscht, dass der Vorstoß des Bundesgesundheitsministers weder rechtzeitig kam noch auf seinem Mist gewachsen ist. Natürlich nur der Vollständigkeit halber, nicht etwa, weil es der Mainstream dadurch eher wahrnehmen würde. Von dieser Hoffnung habe ich mich vor langer Zeit verabschiedet).
Egal ob der Auftritt von Jens Spahn eigenen Interessen galt oder es Laschets Überlebenskampf vor der Bundestagswahl geschuldet war, er kam viel zu spät und dürfte allein aus parteipolitischem Kalkül eingeleitet worden sein und nicht, weil es die Logik, das Volkswohl und diverse Experten nun schon seit mehr als einem Jahr einforderten. Deshalb bleibt, trotz einer gewissen Genugtuung mit diesem Blog letzten Endes die richtigen politischen und wissenschaftlichen Strömungen unterstützt zu haben, ein fader Beigeschmack. Beweist es doch, dass wir offensichtlich immer noch in einer Gemengelage gefangen sind, in der signifikante Fehler der Politik weder von Journalisten angeprangert noch von vormals kritischen Menschen bemerkt werden. Das lässt nicht nur für Corona, sondern auch für die mannigfaltigen Herausforderungen, den sich Deutschland in Zukunft zu stellen hat, Übles befürchten.