Dees interessiert mi nit!

In den letzten Tagen ist viel passiert. Sachsen-Anhalt hat gewählt und Jens Spahn ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil er angeblich minderwertige FFP2-Masken an Behinderte und Obdachlose verteilen wollte (Anm.d.Red.: Ich vermute es handelt sich um die Masken, die letztes Jahr im Rahmen des sogenannten ´Open-House-Verfahrens´ in lächerlich großen Mengen bestellt, aber nicht abgenommen worden sind. Siehe mein Blog vom 17.09.20, ´Rohrkrepierer´. Masken im Wert von 1 Milliarde Euro hatten offensichtlich keine EU-Freigabe. Da ohnehin nicht alle Kontingente gebraucht wurden, legen diese immer noch in Lagern herum und drohen nun das Haltbarkeitsdatum zu überschreiten. Laut Spahn sind sie aber auf Unbedenklichkeit untersucht worden und sollten nun derart wenigstens noch Verwendung finden. Sogar ich als Kritiker des Bundesgesundheitsministers kann daran kein übermäßig schlimmes Fehlverhalten erkennen. Die sinnlose Maskenbeschaffung im letzten Jahr wäre ein weitaus größerer Ansatzpunkt für Kritik gewesen. Während allerdings diese 9,8 auf der nach oben offener Richterskala in der allgemeinen Corona-Panik unbemerkt blieb, wird aktuell dieses kleine Nachbeben durch den Wahlkampf zum Skandal aufgeblasen). Da ich nicht davon ausgehe, dass Jens Spahn, der wirklich einen Bock nach dem anderen geschossen hat, ausgerechnet wegen dieser Lappalie seinen Hut nehmen muss, noch dass die, bei der Landtagswahl peinlich geschlagenen Parteien, die sich selbst demokratisch nennen, endlich zu der Einsicht kommen, dass so mancher die AfD nicht nur aus Protest wählt, werde ich beide Ereignisse zunächst nicht weiter thematisieren.

Ich war über das Wochenende in Österreich, wo bereits die Innengastronomie für die drei großen `G´ - Genesen, Getestet, Geimpft´ geöffnet ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, was ich bereits selbst in der Schweiz feststellen konnte (Anm.d.Red.: Siehe mein Blog vom 22.02.21ff, `Gruezi´) und auch von Arbeitskollegen aus Schweden und Brasilien berichtet bekam. Der Umgang mit Corona vor Ort und die Berichterstattung in den deutschen Medien darüber sind zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe. In Schweden ist die Regierung nie von ihrem Weg durch die Pandemie abgewichen, Brasilien ist nicht in Panik wegen der Haltung ihrer Regierung zu Corona und in der Schweiz ist die Einhaltung der Corona-Vorschriften allenfalls als rudimentär zu bezeichnen. Österreich macht da keine Ausnahme. Während hierzulande in den Medien die Meinung verbreitet wird, dass sich unsere Nachbarn durch konsequentes Einhalten der Regierungsvorgaben die jetzige Infektionslage erarbeitet hätten, kann man sich vor Ort die Realität anhören. Kaum eine der Maßnahmen wird als sinnvoll angesehen, das Infektionsgeschehen hat sich vollkommen unabhängig davon entwickelt und zum Ende der Corona-Saison hin entspannt und der bunte Strauß an lächerlichen Vorschriften ist mindestens ebenso groß wie in Deutschland. Mein persönliches Highlight kam bereits bei der Einreise an der Grenze. Man teilte die Wagenkolonne in zwei Fahrspuren. Links diejenigen, die nach Österreich einreisen wollten und rechts diejenigen, die auf der Durchreise, beispielsweise nach Italien waren. Während sich der Beamte allerdings von der linken Fahrspur das elektronische Einreiseformular zeigen ließ, mit dem der urlaubsfreudige Deutsche unter anderem bestätigte, dass er geimpft, getestet oder genesen ist, wurden die Italienurlauber einfach durchgewunken. Anders ausgedrückt, diejenigen, denen dieses Formular entgangen war oder gar den Corona-Schnelltest vergessen hatten, mussten einfach die Spur wechseln und über die Italien-Spur nach Österreich einreisen. Eine Ausweiskontrolle oder gar eine Speicherung der Daten gab es weder auf der einen noch auf der anderen Spur. Soll mal noch einer sagen, nur die Deutschen können sinnlosen Aktionismus.

Im Alpenland selber herrschen sehr lasche Regelungen. Keine Maskenpflicht im Freien und auch alle Geschäfte, Gastronomie und Kultur haben geöffnet. Als gebeutelter Deutscher ist somit die erste Amtshandlung am Anreisetag: Restaurantbesuch. Diese in Deutschland lang vergessene Tradition sich von anderen das Essen bereiten und servieren zu lassen, haben wir ausgiebig genutzt und somit in verschiedenen Lokalen genug Eindrücke sammeln können, dass der Großteil der Österreicher in Sachen Corona-Gehorsam anders tickt. Es werden meist nur die rudimentären Vorschriften eingehalten, die hochgradig Schwachsinnigen werden dagegen von großen Teilen der Bevölkerung ignoriert. So finde auch ich bekanntlich das Tragen der Maske im Restaurant auf dem Weg zum Tisch und zur Toilette als reine Schikane und sinnlosen Aktionismus, insbesondere, da nur drei ´G´ Zutritt haben. Während wir, wie in Deutschland zwar nicht überzeugt, aber des lieben Friedens willen am ersten Tag noch brav mit Maske ins Lokal gegangen sind, macht der Österreicher dagegen überwiegend das, was ihm einleuchtet. Alles andere wird ignoriert, aber auch nicht vom Personal eingefordert, auch wenn offiziell große Strafen drohen (Anm.d.Red.: Wir haben uns dann am nächsten Tag der landestypischen Folklore angepasst, seinen Mitmenschen auch im Restaurant stets das ganze Gesicht zu zeigen).

Mit diesem ersten Eindruck haben wir uns an einen freien Tisch gesetzt. Weit und breit kein Schild, dass dem Gast vorschreibt zu warten, bis man platziert wird. Brav, wie wir in Deutschland in dieser Pandemie inzwischen konditioniert sind, machten wir uns bei diesem und den folgenden Besuchen stets daran, die Beweise unserer Gesundheit herauszukramen – ich meinen Fall einen Corona-Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, meine Frau dagegen den Impfausweis. Allein sehen wollte die Dokumente niemand. Wenn wir nicht proaktiv waren, wurden die Dokumente auch nicht gefordert. In den zwei Fällen, in denen wir explizit nachfragten, bekamen wir zwei eindeutige Antworten:´Dees interessiert mi nit!´ und ´Ich gloab eich, dass ihr oana hobt´. Im Coronatiker-dominierten Deutschland ein geradezu unerhörtes Verhalten.

Während das Restaurant durch dieses Vorgehen sicherstellt, keinen Gast zu verlieren, der eventuell keinen entsprechenden Nachweis erbringen kann, weist das Personal dagegen fleißig auf den ausliegenden QR-Code hin, zumal dieser vor Ort gescannt wird und so nicht dieses Risiko des Umsatzverlustes birgt. Auf Nachfragen beim Bier haben mir die Österreicher aber verraten, dass sie sich als Restaurantbesucher kaum von unsereins unterscheiden. Auch sie verspüren wenig Lust sich zu registrieren und damit das Risiko einer 14-tägigen Quarantäne eingehen, sollte sich zufällig in dem Lokal zur gleichen Zeit jemand mit einer Corona-Infektion aufgehalten haben. Eine Ansteckung ist ohnehin höchst unwahrscheinlich, zumal man an getrennten Tischen sitzt und die lächerlich niedrigen Infektionszahlen rechtfertigen ohnehin keine derart scharfe Schutz-Maßnahme (Anm.d.Red.: Das haben sie meiner Meinung nach ohnehin nie bei Menschen außerhalb der Risikogruppen getan. Das sollte aber inzwischen hinlänglich bekannt sein). So saßen Öschis und Piefkes in Eintracht im Lokal und taten nach entsprechender Aufforderung so, als würde man den QR Code brav mit dem Handy scannen.

Ich habe in jedem Fall genossen, mich sehr frei bewegen zu können, endlich wieder in einem Lokal sitzen zu dürfen und erkannt, dass auch unser Nachbar in Sachen Corona-Prävention nur mit Wasser kocht und der komplette Pandemieverlauf auch in Österreich mehr Zufall, denn professionelles Pandemiemanagement der Regierung war.

 

Auf der Rückreise nach Deutschland wurden wir übrigens einfach durchgewunken. Es ist schon toll zu sehen, dass die Bundesregierung auf der einen Seite nach wie vor glaubt, man würde sich trotz aller Hygienekonzepte in der Innengastronomie infizieren, aber nicht im Ausland.