In der Corona-Pandemie vergisst man gerne, dass sich parallel noch viel größere menschliche Katastrophen abspielen. Es ist abartig, mitansehen zu müssen, wie eine ganz Familie das Leben in ihrem Land nicht mehr ertragen kann, keine Perspektive mehr sehen, keine vernünftige Arbeit haben, von der eigenen Familie verstoßen werden und schließlich nur noch einen Ausweg sehen und über das Meer flüchten, nur um dann feststellen zu müssen, dass endlich in einer neuen Welt angekommen sich niemand dafür interessiert, was man vorher geleistet hat oder wer man ist. Wenn keiner Notiz mehr von einem nimmt, dann muss man verstehen, dass in diesen Menschen der Drang schier unermesslich wird, sich der Welt mitzuteilen, sie an ihrem Leid teilhaben zu lassen und Schuldige für ihre Lage gesucht werden müssen. Da kann es schon einmal sein, dass diese Menschen so verzweifelt sind, dass sie sich rächen wollen und eine Bombe zünden. So geschehen dann gestern, als Harry und Meghan das lange angekündigte Interview mit Ophra Winfrey führten.
Das Schöne an dieser Art Bomben, sie sind für emotional gefestigte Menschen vollkommen ungefährlich und können nur eingefleischte Royalisten und Leser von diversen Boulevardmagazinen in eine bodenlose Depression stürzen (Anm.d.Red.: Übrigens möchte ich in diesem Zusammenhang nicht versäumen dem zarten Geschlecht zum heutigen Weltfrauentag zu gratulieren und gleichzeitig einen guten Rat mit auf den Weg geben: Solange die Hälfte von euch losläuft, um das gesamte Interview in der ´Bild der Frau´ nachzulesen oder um in der ´Instyle´ interessiert zu erfahren, ob Berufsschwulette Guido Maria Kretschmer der Meinung ist, ob Meghans Schuhe dem Anlass entsprechend gewählt waren, sollte Frau sich nicht wundern, wenn das mit der Gleichberechtigung irgendwie nicht so richtig funzen will). Ich habe das Interview nur erwähnt, weil ich immer wieder ziemlich faszinierend finde, wie sich Millionen Menschen, angesichts wirklich haarsträubender Probleme auf dieser Welt, für das interfamiliäre Nachtreten eines nutzlosen Angehörigen einer überkommenden Staatsform und einer zweitklassigen Schauspielerin interessieren. Der Inhalt hat mich en detail ebenfalls weniger tangiert. Da ich mich aber im Zuge der Berichterstattung zu Corona in den letzten Tagen bekanntlich mit der inflationären Nutzung und Wirkung von Totschlagargumenten beschäftigt habe, war ich ehrlich interessiert, ob die beiden Ex-Royals diese Argumentationsverstärkung ernsthaft auch gegenüber dem englischen Königshaus abziehen würden. Ich wurde nicht enttäuscht. Nicht nur, dass der Termin am Vorabend des Weltfrauentages geschickt gewählt war, um Meghans Vorwurf der Diskriminierung, in diesem Falle Rufmord in Szene zu setzen, auch waren sich die beiden nicht zu schade aufgrund Meghans afroamerikanischen Wurzeln einen entsprechenden Rassismus Hintergrund zu schaffen (Anm.d.Red.: Laut den beiden soll bei Hofe über den Grad der Pigmentierung des Erstgeborenen spekuliert worden sein. Namen wollte man allerdings keine nennen. Selbst wenn die Queen derartige Neigungen tolerieren würde, sie wäre nicht über Jahrzehnte an der Macht, wenn sie zulassen würde, dass solcherlei Themen am Hofe laut ausgesprochen werden). Man kann froh sein, dass es um die gemeinsame Abrechnung eines Ehepaares gegangen ist, ansonsten hätte es mich nicht gewundert, wenn die amerikanische Filmschauspielerin noch einen entsprechenden ´me too´-Vorwurf erhoben hätte. Immerhin die rudimentären Werkzeuge ihrer Zunft scheint sie zu beherrschen, ist sie doch an den richtigen Stellen im Interview in Tränen ausgebrochen.
Für ein Thema, dass eigentlich nichts mit Corona zu tun hat, habe ich mich schon wieder viel zu sehr damit beschäftigt. Die Queen dagegen machte heute das einzig Richtige und ging erst gar nicht auf das mediale Rumgeheule ihrer Anverwandten ein, zumal für jemanden, der monatlich eine Apanage im siebenstelligen Bereich gezahlt bekommt und noch nicht einmal mit einem schweren Corona-Verlauf aufwarten kann, sich das Mitleid ohnehin in überschaubaren Grenzen halten sollte.
Apropos Schmierentheater. An diesem Wochenende ist es mir in diversen Spielfilmen wieder sehr schmerzlich bewusst geworden, dass das Thema Corona aus allen Filmproduktionen herausgehalten wird, als würde es die Pandemie nicht geben. In keiner Produktion sind Masken oder geschlossenen Geschäfte zu sehen, geschweige denn, dass man das Thema irgendwo thematisieren würde. In jeder Szene schwingt aber die Allgegenwart von Corona mit, insbesondere, wenn man, wie gestern beim Tatort zuschauen muss, wie das Filmteam vergeblich versucht, mit 15 negativ getesteten Statisten, den Eindruck einer vollen Diskothek zu erzeugen (Anm.d.Red.: Eine Diskothek ist ein großer Raum, in dem man sich damals getroffen hat, um mit hunderten von Haushalten Alkohol zu trinken und auf David Guetta zu tanzen) oder in einem kleinen Café hinter den Hauptdarstellern immer nur ein einzelner Gast sitzt und traurig in seine Kaffeetasse weint. Mit dem nötigen Abstand versteht sich. Als offizielle Begründung wurde von befragten Fernsehsendern angegeben, dass die Bevölkerung angeblich schon im Alltag genug mit Corona zu tun hat und nicht auch noch beim unreflektierten Berieseln mit Spielfilmen und Fernsehserien mit dem bösen Virus belästigt werden will. Wie so oft in der Pandemie waren sich Privatsender und die Öffentlich-Rechtlichen auch hier wieder einmal überraschend einig (Anm.d.Red.: Ich hätte mir so viel Rücksicht nach 2015 gewünscht. Damals hatte gefühlt jeder Spielfilm die deutsche Flüchtlingspolitik zum Thema, nachdem Mama Merkel dieses unsägliche ´Wir schaffen das!´ von sich gegeben hatte).
Dabei ist mir ein eigenartiger Gedanke gekommen. Es gab mal ein Serienformat, dass über 30 Jahre lang jeden Sonntag das Zeitgeschehen im Allgemeinen und die Ereignisse der vorangegangenen Woche im Speziellen für den etwas einfacher gestrickten Bundesbürger leicht verständlich aufbereitet hatte. Ich würde sogar so weit gehen, dass diese Serie zur Akzeptanz von Homosexuellen, bei Integration oder der Gleichberechtigung der Frau mehr geleistet hat, als so mancher erhobene Politikerzeigefinger es je vermocht hätte. Wie bei der Bildzeitung mögen die Dinge häufig etwas zu schwarz/weiß gemalt gewesen sein, aber man schreckte bei Bedarf nicht davor zurück politische Missstände und Fehler anzuprangern. Die Rede ist von der Lindenstrasse.
Ich frage mich, ob die Verantwortlichen das Thema Corona ebenfalls ignoriert hätten oder aber ein Jahr nach Pandemiebeginn mit der Lockdown Müdigkeit umgegangen wären. Leider wurde das Format aber pünktlich vor Pandemiebeginn abgedreht, das heißt auch wenn die letzte Folge im März 2020 ausgestrahlt wurde, war der letzte Drehtag anders als in den 30 Jahren davor bereits im Dezember 2019. So wurden zum Schluss keine aktuellen Themen mehr abgearbeitet.
Wäre ich jetzt Verschwörungstheoretiker, würde ich mich fragen, ob die Absetzung der Lindenstraße eine von vielen Maßnahmen war, die bereits 2019 auf Basis eines Wissensvorsprunges entschieden wurden, um potentielle Störfeuer gegen Maßnahmen und Regelungen von vornherein auszuschließen, die als Folge einer Pandemie ein paar Monate später dem Volk als alternativlos verkauft werden sollten (Anm.d.Red.: Ich hatte letztes Jahr schon einmal ein ähnliches Gefühl, als die 2019 gedrehte Serie Sløborn gewissen abstruse Aussagen von Donald Trump aus der Pandemie überraschend genau vorwegnahm. Siehe mein Blog vom 17.08.20,´Sløborn´). Wenn ich mir aber inzwischen anschaue, wie die Regierung sich gerade mit Impfpannen, Maskenbeschaffungsskandal und Selbsttestfiasko selber demontiert, dann muss man einsehen, dass diese Theorie den Protagonisten doch etwas zu viel Perfidität zutrauen würde. Da lobe ich mir doch die wahrscheinlichere Variante, dass Bill Gates am Ende doch die Übernahme der Weltherrschaft plant und uns mit Nanorobotern in den Impfdosen gefügig machen will.