Bahnhof verstehen

Heute ist wieder ein Tag, an dem man genügend Zeit hat durchzuatmen oder sich um kleinere Details in der Corona-Krise zu kümmern, denn die Medien werden erfreulicherweise anderweitig dominiert. Nicht unbedingt wichtiger, sondern einfach nur anders. Heute war die Vereidigung des greisen US-Präsidenten ohne Publikum und vor allem ohne Donald Trump, der sich beleidigt von einem Militärflughafen aufs Altenteil nach Florida verabschiedet hat. Mich freut es insoweit, da ich noch nicht einmal damit gerechnet hatte, dass Joe Biden seinen Amtsantritt überhaupt erleben würde. Auf jeden Fall ist es sehr treffend für den Abschluss der US-Präsidentschaftswahlen im Speziellen und dem Zustand eines ganzen Volkes im Allgemeinen, wenn die Nationalhymne am heutigen Tag von jemandem gesungen wurde, der mit Nachnamen ´Gaga` heißt.

Zurück zu Corona. Eigentlich ist mir der Dilettantismus, mit dem die Regierung durch die verordneten Pandemie rumpelt, ziemlich egal. Ich kommentiere ihn nur. Als erwachsener Mitteleuropäer mit einer anständigen Erziehung stellte die Anwendung grundsätzlicher Hygienemaßnahmen auch vor der Corona-Krise schon kein Problem dar (Anm.d.Red.: Offensichtlich scheint genau das in großen Teilen der Bevölkerung nicht der Fall gewesen zu sein. Anders kann ich mir Hinweise auf öffentlichen Toiletten, sich die Hände zu waschen ebenso wenig erklären, wie die Tatsache, dass die Bundesregierung diesen Lehrauftrag aufgrund einer Virusinfektion extra übernehmen musste). Da ich mit dem immer stärkeren Einfluss der sozialen Netzwerke eine zunehmende Degeneration der Gesellschaft wahrnehme, die mit einer entsprechenden Entfremdung von selbiger meinerseits einhergeht, habe ich auch kein Problem den geforderten Abstand von mir unbekannten und/oder unsympathischen Menschen zu halten. Um das Konfliktpotential möglichst klein zu halten, trage ich in Geschäften eine Maske und bin überzeugt mein Homeoffice, in dem ich seit Beginn der Corona-Geschichte tagsüber sitze, auch ausreichend zu lüften. Wenn ich krank bin, bleibe ich zu Hause und wenn ich in seltenen Fällen mit Corona-Risikogruppen außerhalb des engsten Familienkreises zusammentreffen sollte, treffe ich alle verfügbaren Vorkehrungen zum Schutz derselben, zu denen die Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist (Anm.d.Red.: Immer in dem Bewusstsein, dass auch schon vor Corona alles irdische Leben einmal enden muss. Ich will mir aber in diesen überdrehten Zeiten nicht nachsagen lassen, ich hätte einen 98-jährigen mit multiplen Vorerkrankungen auf dem Gewissen, weil ich nicht brav bei diesem perfiden Einschränkungstanz mitgespielt hätte).

 Alle anderen Corona-Maßnahmen, die in ständig wechselnder Form seit über einem Jahr vorgegeben werden, wie das Tragen von Mund/Nase-Schutz unter freiem Himmel, Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder Begrenzung der Kontakte interessieren mich wenig und werden von mir soweit möglich ignoriert, da ich sie irgendwo zwischen wenig zielführend und total schwachsinnig ansiedele. Fakten, wie die geschlossene Gastronomie, sind nervig, werden aber als nicht von mir beeinflussbar hingenommen, wie gesagt von Kommentaren in diesem Blog einmal abgesehen. Mein Arbeitsplatz ist im Homeoffice, wenn ich Sport treiben will, gehe ich vor die Tür und für alle anderen Bedürfnisse ist gesorgt und wenn nicht, finde ich Lösungen, wie beispielsweise gestern, als ich mir im Untergrund einen Friseur suchen musste.

Auch wenn man als Kritiker in diese Ecke gedrängt wird, leugne ich das Virus nicht und hänge auch keiner rechten antisemitischen Verschwörungstheorie nach. Ich halte die Corona-Pandemie für eine Katastrophe in einer seit dem zweiten Weltkrieg in Europa nicht mehr dagewesenen Form. Allerdings nicht aufgrund einer überhöhten Gefährlichkeit des Virus selbst, sondern weil es aus mir unbekannten Gründen zu einer noch nie dagewesenen globalen Überreaktion gekommen ist, die in der Folge mehr Menschenleben vernichtet hat und noch vernichten wird, als die Pandemie selbst.

Ich akzeptiere, wenn Menschen in meinem Bekannten- und Freundeskreis das anders sehen und Corona für die große Bedrohung halten, die der Gesellschaft von den Verantwortlichen vorgebetet wird. Mit dem erfreulicherweise viel größeren Teil meines Umfelds, die Corona als eine schwere Virusinfektion sehen und nicht als die größte Geißel der Menschheit seit der Spanischen Grippe versuche ich mich im Rahmen der Möglichleiten normal zu bewegen, das heißt ich betreibe mit Freuden coronalen Ungehorsam (Anm.d.Red.: Nebenbei bemerkt, wäre die spanische Grippe heute in Europa aufgetreten und nicht in eine Zeit, in der die Bevölkerung durch Krieg, Hunger und die medizinische und hygienische Gesamtsituation  geschwächt war, wäre sie heute wohl nur eine Randnotiz, die maximal als außergewöhnlich schweres Grippejahr in die Geschichte eingegangen wäre).

So habe ich auch die gestern beschlossenen, neuen Corona- Einschränkungen mit relativer Gleichmut hingenommen, in der Annahme sie beträfen doch zu 99% nicht meinen Lebensbereich, beziehungsweise können von mir hervorragend ignoriert werden. Vielleicht abgesehen von der Tatsache, dass ich das Hintergrundgeschrei von Kindern bei Telefonkonferenzen im Homeoffice nach heutigem Ermessen noch bis mindestens 14. Februar erdulden muss. Allenfalls die Verpflichtung in Geschäften fortan mindestens eine medizinische Maske zu tragen, hat mich ein wenig geärgert. Ich habe mir aber vorgenommen, diesen Ärger in nützliche Bahnen zu kanalisieren und werde Feldstudien über die Denunzianten-Mentalität deutscher Kontrollnazis im öffentlichen Raum betreiben, indem ich die geforderte Maske unter meinem Schal trage, der mich auch bisher sehr gut durch die Pandemie gebracht hat.

Um zum Anfang zurückzukommen. Es passiert also selten, dass ich von neuen Corona-Sinnlosigkeiten der Bundesregierung und der dann stets folgenden verblüffend unprofessionellen Umsetzung in der Realität besonders stark betroffen wäre. Zumindest dachte ich das, bis heute Morgen meine Putzfrau angerufen hat. Sie wollte eigentlich nach den Weihnachtsferien dafür sorgen, dass ich endlich wieder in meine Küche komme, ohne die Ratschläge von Dr. Bob für Dschungelprüfungen berücksichtigen zu müssen. Die gute Frau stand allerdings in einer Menschentraube vor dem Bahnhof ihres Heimatortes und bekam von Bahnhofsangestellten den Zugang verwehrt, weil sie keine FFP2 Maske trug. Meine Putzfrau hat sogar gesehen, wie Angestellte der Verkehrsbetriebe Rentner mit Stoffmasken aus den Straßenbahnen komplementiert haben.

An dieser Stelle ist eine kurze Zusammenfassung zum Thema `Verschärfung der Maskenpflicht´ fällig: Gestern wurde dem Volk mitgeteilt, dass zukünftig in Bussen und Bahnen sowie den Geschäften mindestens eine medizinische Maske zu tragen wäre. Von einem verpflichtenden Tragen einer FFP2 Maske, wie das Markus Söder in seinem Bundesland Bayern zur Manifestierung seines Status als Corona-Heiland durchgepeitscht hat, ohne auch nur einen Gedanken an die vernichtende Kosten/Nutzen-Analyse zu verschwenden, sah man in dem Treffen mit der Bundeskanzlerin zum Glück ab.

 Mal abgesehen von dem nicht unwichtigen Detail, dass der Unterschied zwischen einer medizinischen Maske, die nicht nach jeder Benutzung entsorgt wird und einer Stoffmaske, die nicht regelmäßig gewaschen wird, für den Mann*in von der Straße in etwa gleich Null ist und damit den Status von Augenwischerei kaum überschreitet, wie kann man als Regierung so unprofessionell sein und parallel zur gestrigen Pressekonferenz keinerlei Detailinformationen an die Medien und vor allem die eigenen Kontrollorgane zu geben, um die Betroffenen auf beiden Seiten des Zaunes wenigstens in die Lage zu versetzen, sich entsprechend regelkonform verhalten zu können? Das beinhaltet nicht nur detaillierte Instruktionen, sondern auch die Angabe einer gewissen Übergangsfrist, in denen alle wenigstens die entsprechenden Hardwarevoraussetzungen schaffen können. Anders ausgedrückt sollte man noch die Möglichkeit haben, ohne medizinische Maske in ein Geschäft zu kommen, um eine medizinische Maske zu kaufen. Klingt komisch, ist aber logisch!

Ich hoffe für das bisschen Rest an Respekt, dass ich für die Regierungsverantwortlichen, nicht unbedingt wegen der Arbeitsergebnisse, so denn doch aufgrund des bloßen Arbeitsaufwandes noch hege, dass die entsprechenden Ordnungskräfte meine Putzfrau inklusive aller Pendler heute Morgen nicht aufgrund einer Vorgabe der verantwortlichen Landesregierung NRW aus den Zügen geworfen haben. Sogar Markus Söder hat es bei aller Selbstherrlichkeit geschafft eine Übergangsfrist von einer Woche zu schaffen, bevor man ohne FFP2 Maske Probleme bekommt. Auch habe ich keine Informationen im Internet gefunden, dass Laschet in NRW FFP2 zur Pflicht machen will und damit Ambitionen zeigen würde, sich ohne Not zum saarländischen Hansi in den Allerwertesten seines ärgsten Konkurrenten auf die Kanzlerkandidatur zu gesellen.

Wenn man also davon ausgeht, dass auch die Dummheit der heute Morgen agierenden Ordnungskräfte nicht sprunghaft in Richtung Lernbehinderung gestiegen ist, bleibt nach Sherlock Holm´scher Deduktion als einzig mögliche Erklärung, dass die Kanzlerin inklusive Ministerpräsidenten gestern ´nach Diktat´ verreist sind, ohne sich auch nur einen Deut um entsprechende Vorgaben zur terminliche Umsetzung der schärferen Regelungen zu scheren. Das spricht dann aber, neben der Umgehnung des Bundestages bei der gesamten Lockdown-Diskussion für die nächste Stufe des demokratischen Realitätsverlustes der GroKo (Anm.d.Red.: Übrigens wird das Terminziel für die Umsetzung der Maßnahmenverschärfungen inzwischen im Internet vage mit ´nächsten Montag´ angegeben. Bis dahin haben die Länder Zeit sich die Karten entsprechend zu legen. Das Verhalten der Angestellten des ÖNV war also definitiv gesetzeswidrig).

 

Hoffen wir auf einen individuellen Ausrutscher einer einzelnen Person und dass der verantwortlich Koordinator für den besagten Bahnhof einen wohlverdienten Sonderurlaub antreten darf. Für den Glauben an die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen in der Bevölkerung erfreulicherweise nichts anderes als ein weiterer Tiefschlag.