Intensivtäter

Es ist spät am Tage und das Robert-Koch-Institut hat die Zahlen der letzten Woche noch nicht geliefert. Also muss ich schon wieder meine versprochene Prognose auf Morgen verschieben. Aber keine Panik, ich habe alternative F…, pardon Themen, die aus der Feder fließen wollen. Außerdem passen sie gut als Vorbereitung, um die trübe Prognose, die für die Intensivstationen zu erwarten ist, vorzubereiten.

Ich habe eigentlich täglich damit gerechnet. Der Tag, an dem das erste Krankenhaus um die Ecke kommt und sich im Licht der panischen Öffentlichkeit sonnen will und das Wort ´Triage´ in den Mund nimmt, also zu entscheiden wer ein Intensivbett bekommen soll, wenn mehr Patienten als Beatmungsplätze zur Verfügung stehen (Anm.d.Red.: Details zum Thema ´Triage´, siehe mein Blog vom 12.11.20, ´Männer die auf Liegen starren´). Nun ist es geschehen und ein Krankenhaus in Görlitz/Sachsen hat angeblich auf Basis dieses Prozesses entscheiden müssen. Es folgte zwar prompt am Abend die Richtigstellung, dass es sich nur um ein Standardverfahren innerhalb der Notaufnahme der Klinik gehandelt hat, aber es war trotzdem in einem ständig unruhiger werdenden Meer von Nachrichten, der zu erwartende nächste Wellenberg, egal ob medial übertrieben oder wirklich geschehen.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich in den vergangenen Blogs die ständige Warnung vor dem Überlasten der Intensivstationen als übertreiben angesehen habe. Das tue ich auch immer noch, denn die Lage war auch 2018 beim schlimmen Influenzaausbruch gleichermaßen angespannt, nur halt ohne die mediale Aufmerksamkeit. Doch dieses Mal spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, die Corona-spezifisch sind und einen verstärkenden Effekt auf die ohnehin gerade richtig in Fahrt kommende Grippesaison haben (An.d.Red.: Immer daran denken,  wenn ich in diesem Blog von Corona rede meine ich das neue Sars-CoV-2, wenn ich von Grippesaison rede, meine ich Corona-Viren allgemein, die uns jedes Jahr Herbst/Winter nerven). Um diese Einflüsse zu betrachten, muss ich mich leider einmal mehr in das von Markus Söder gezogenen rote Quadrat der unethischen Corona-Opferdiskussion begeben. Ansonsten scheint es ohnehin niemand tun zu wollen.

Also noch einmal von vorne: Natürlich ist die Situation auf den Intensivstationen angespannt, aber nicht aufgrund eines Virus, der tödlicher ist als alles bisher Dagewesene, sondern aufgrund schlimmer Fehler der Politik in der Vergangenheit. Man hat Jahrzehnte tatenlos zugesehen, wie das Gesundheitssystem kaputtgespart wurde und nichts gegen Überlastung und schlechte Bezahlung getan. Die eigentlichen Kardinalsfehler im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern in 2020 begangen.

Indem man mit Auftauchen des Virus Anfang des Jahres der allgemeinen Panikmache der WHO gefolgt ist, statt wie in solchen Fällen üblich, zunächst eine offene Expertendiskussion geführt hat, hat man sich vorschnell aufgrund einseitiger Expertisen in der ersten Welle im Frühjahr zu einer Überreaktion und damit einer fatal falschen Strategie entschieden.

Das neue Sars-CoV-2 Virus ist erst im Februar 2020 vermehrt in Europa aufgetaucht, das heißt zu einem Zeitpunkt, als die Saison für Corona Viren normalerweise schon drei Monate andauerte. Somit haben drei Monate der üblichen Durchseuchung von Oktober bis Januar von vorherein gefehlt. Das erklärt nicht nur die niedrigere Infektions- und damit auch Todesrate im Frühjahr, sondern auch die weitaus schlimmere zweite Welle. Mit der wir gerade zu tun haben. Inwieweit sich die Verantwortlichen mit der Entscheidung, die Infektionsraten, aufgrund der unsäglichen ´Flatten the curve´- Strategie, mit aller Gewalt niedrig zu halten, an zusätzlichen Todesopfern schuldig gemacht haben, sei dahingestellt (Anm.d.Red.: Mit Schmunzeln habe ich, wie gestern schon erwähnt, zur Kenntnis genommen, dass man Spahn wegen den Verzögerungen bei der Impfstoffzulassung ähnliches vorwirft. Mögen man sich in den Reihen der Corona-Jünger selbst zerfleischen, ich habe keine Ambitionen nachzutreten. An den Fehlern des Frühjahres ändert es nichts). Ich bin bekanntlich ohnehin der Meinung, dass von der Politik gemachte Einschränkungen sicher die Wirtschaft, aber nur sehr bedingt den Verlauf einer Pandemie beeinflussen können. Die zweite Welle ist in ihrer Unausweichlichkeit und Stärke somit meiner Ansicht nach nicht aufgrund menschlichen Versagens aufgetreten, sondern nur dem normalen natürlichen Lebenszyklus eines neuartigen Virus geschuldet.

Während die Verantwortlichen aus Politik und Wissenschaft an den aktuellen Infektionsraten noch unschuldig sein mögen, haben sie sich und uns bei der Entscheidung das Corona Virus anders, als jede andere Infektion zu behandeln, ins Knie geschossen. Die Regierungsstrategie mag in vielen Bereichen, wie Wirtschaft, Gastronomie, Kultur und Bildung fatal gewesen sein, im medizinischen Sektor, von dem wir hier reden, kann sie tödlich enden. Kernfehler dabei war die Entscheidung alle Maßnahmen von dem Ergebnis des PCR-Test abhängig zu machen. Erinnern wir uns: Neben der andauernden Diskussion zur Fehlerquote des Tests, hat er da Problem, dass er im besten Fall Corona-Viren auf der Schleimhaut nachweist. Alle wichtigen Antworten bleibt er schuldig. Er sagt nichts darüber aus, wo in der Infektion sich die Betreffenden befinden, ob sie überhaupt eine Infektion haben, wenn ja, wo sie sich im Krankheitsverlauf befinden, ob sie infektiös sind oder inwieweit sie einen schweren, leichten beziehungsweise symptomfreien Verlauf haben werden oder schon gehabt haben, also immun sind.

Trotzdem haben sich die Verantwortlichen dazu entschlossen ausschließlich auf Basis eines positiven PCR-Tests die komplette Isolation der Betroffenen zu veranlassen. Noch nicht einmal Menschen mit durchlaufener Infektion sind davon ausgenommen. Obwohl es auf der Welt noch nicht einmal zehn Fälle gibt, bei dem jemand zum zweiten Mal an Corona erkrankt wäre, weigert sich die Politik diese Menschen als immun zu führen.

Mit der Vorgabe, alles zu isolieren, was einen positiven PCR-Test hat oder gerade mit jemanden in Kontakt gestanden hat, ist der medizinische Sektor gleich doppelt gestraft. Zunächst verknappt man die Ressourcen in den Pflegeinrichtungen, Krankenhäusern und letztendlich auf den Intensivstationen, weil sich das Pflegepersonal permanent in die Quarantäne verabschieden muss.  Von 5 Tagen bei Kontakt bis zu 14 Tagen bei positiven PCR-Test, wie gesagt ungeachtet dessen, ob sie schon einmal eine Corona-Infektion durchlaufen haben oder nicht (Anm.d.Red.: Allein in den letzten beiden Wochen ist die Anzahl der verfügbaren Intensivbetten in Deutschland deshalb um über 10% auf unter 27.000 reduziert worden).

Viel schwerwiegender ist jedoch die geltende Regelung für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Während früher der Betreffende bei einer Infektion vom Allgemeinmediziner vor Ort behandelt worden wäre, werden inzwischen Corona-positiv getestete Patienten ungeachtet ihres Allgemeinzustandes in ein Krankenhaus überführt. Mit dabei auch Menschen, die ohnehin am Ende ihres Lebensweges auf den gestern erwähnten letzten Tropfen warten warten. Sie werden meist dem Beistand der Angehörigen entrissen und zwangsweise in die Kliniken gebracht, wo sie trotzdem sterben, aber noch dazu einsam und unter zeitweiser Belegung eines Intensivbettes (Anm.d.Red.: Unter anderem hat diese  fatale Kausalkette im Frühjahr die Situation in Norditalien ausgelöst. Sieh mein Blog vom 25.03.20, ´Made in Italy´).

Es mag sein, dass die Bundesregierung mit der Verteilung von FFP2 Masken und Schnelltestpflicht für Besucher in den Pflegeinrichtungen etwas Einfluss auf die Todeszahlen in den vulnerablen Gruppen hätte nehmen können. An dem Personalnotstand hätte es aber kaum etwas geändert. Deshalb wiegt ungleich schwerer, dass man, trotz der Erfahrungen aus der ersten Welle, an der konsequenten Isolation von Corona-Verdachtsfällen bei positiven PCR-Tests festgehalten hat. Sowohl bei beim Personal als auch bei den vulnerablen Gruppen in den Alten- und Pflegeheimen, obwohl es genug Experten gab, inklusive Streek und Drosten, die neue Parameter angemahnt hatten. Damit hat die Bundesregierung respektive der Bundesgesundheitsminister die jetzige Situation verschuldet und braucht sich angesichts explodierender Infektionszahlen nicht zu wundern, wenn die Intensivstationen kollabieren.

Abschließend möchte ich noch meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass es die Verantwortlichen bei den täglichen Wasserstandsmeldungen von den Intensivstationen nicht lassen können, auch hier ständig einen Seitenhieb in Richtung der Verschwörungstheoretiker zu tätigen, die angeblich die prekäre Lage in den Intensivstationen leugnen würden (Anm.d.Red.: Nicht, dass ich diese seltsame Spezies des rechten, antisemitischen Aluhutträgers in Schutz nehmen will. Da es die Politik aber unglücklicherweise erfolgreich geschafft hat, subtil den Corona-Kritiker zu meinen, wenn sie vom Verschörungstheoretiker sprechen, ist diese Anweisung äußerst wichtig). Was hat ein Jens Spahn oder ein Prof. Janssen davon, ständig darauf hinzuweisen? Die Zahlen des ´divi-Intensivregisters´ lügen schließlich nicht. Ist es nur Macht der Gewohnheit in der Corona-Pandemie ständig einen Schuldigen zu finden? Ich kann noch verstehen, dass man als Coronatiker der Ansicht sein kann, dass das Leugnen der Pandemie an sich und dass das damit verbundene Ignorieren der Regeln die Infektionszahlen treiben kann. Nicht erschließen will sich mir jedoch die Logik, wie das Leugnen der Überlastung der Intensivstationen die Überlastung der Intensivstationen beeinflussen oder gar verschärfen sollte.

Ich betrachte es mal als Bestätigung meiner vorangegangen Überlegungen. Schließlich kann man mit dieser Taktik vorsorglich Kritiker mundtot machen, die neben der Jahreszeit auch eine Mitschuld der Regierung an der Situation auf den Intensivstationen sehen. Die Strategie, Kritiker der Regierungslinie in die Ecke rechter, antisemitischer Aluhutträger zu drängen, hat in der Corona-Pandemie inzwischen eine gewisse Tradition und hat sich sehr zur Freude der Regierung auch bestens bewährt.