Aus gegebenen Anlass heute mal wieder ein Wort zu Schweden. Ich habe die Überschrift bewusst eindeutig Pro-Schweden gewählt, denn die Mainstream Berichterstattung praktiziert das genaue Gegenteil und titelt unisono vom Scheitern des schwedischen Sonderweges.
Seit Beginn der Pandemie im Frühjahr hat man unseren nordischen Nachbarn auf dem Kieker, weil er als eines der wenigen demokratisch regierten Länder aus der stillschweigenden Übereinkunft ausgeschert war, bei dem Thema Corona-Pandemie auf kopfloses Rumgewerkel zu setzen. Während Deutschland mit Lockdown und Einschränkungen der Freiheitsrechte, je nach der Zahl der Neuinfektionen mehr oder weniger vehement und leider auch wenig erfolgreich, versucht eine Pandemie zu beherrschen, setzte man in Schweden neben dem expliziten Schutz der vulnerablen Gruppen besonders auf das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen (Anm.d.Red.: Dabei lehrte man kein neues Hygienekonzept, sondern setzte auf das rudimentäre Mindset eines gesellschaftskompatiblen Menschen. Mit den heutigen Erziehungsmethoden, oder was man dafür hält, ist das natürlich gar nicht so einfach, zumal die freie Entfaltung die gute Kinderstube meist abgelöst hat, in der man noch lernte, dass man Rücksicht auf andere nimmt, sich regelmäßig die Finger wäscht und nicht seine Viren einfach so in die Gegend hustet. Wenn man krank ist, sieht man vom Besuch der Omma ab und trifft auch sonst niemanden. Man bleibt der Arbeit beziehungsweise Schule fern und mit dem Hintern zu Hause, bis es einem besser geht). Ein Konzept, dass dem Vorgehen der Bundesregierung natürlich diametral entgegensteht und, im Erfolgsfall, die Richtigkeit der eigenen Strategie bei der Pandemiebekämpfung in Frage stellen und Wählerstimmen kosten würde. Somit kann die Bundesregierung nicht einfach darauf setzen, mittels der europaweiten Lockdown-Strategie Schweden im Gesamtverbund der EU wirtschaftlich mit in die Tiefe zu reißen, sondern man muss dezidiert darauf achten, positive Entwicklungen zu unterdrücken und jegliche negativ darstellbare Nachrichten auszuschlachten (Anm.d.Red.: Auf so eine Einigkeit beim Umgang mit England, Polen oder Ungarn wartet man sonst vergebens). Es konnte nicht angehen, dass man in Schweden ohne Kontaktbeschränkungen und bar jeder Maskenpflicht mit offener Gastronomie, Sportstätten, Schulen und Einzelhandel einen ähnlichen Pandemieverlauf bei intakter Infrastruktur erreichen kann, während man hierzulande Milliarden aufwenden muss, um den Betroffenen über die Runden zu helfen. Ziel konnte es nur sein, die einzelnen Maßnahmen, die augenscheinlich die dortige Bevölkerung weniger gängeln und der nationalen Wirtschaft weniger schaden, nicht als Fingerspitzengefühl, sondern als Leichtfertigkeit zu brandmarken.
In den letzten neun Monaten hat man so in schöner Regelmäßigkeit, alle paar Wochen, einen Seitenhieb in Richtung Norden abgegeben, immer dann, wenn die Infektionszahlen mal wieder gestiegen waren oder ein Alten-und Pflegeheim nicht vor einer Corona-Infektion geschützt werden konnte. Der Griff an die eigene Nase, insbesondere bei den eigenen Pannen beim Schutz der Risikogruppen, wurde dabei tunlichst vermieden. Seit Sommer war es ein wenig ruhiger geworden und ich hatte eigentlich schon früher damit gerechnet, dass in der herbstlichen Infektionszeit auch mal wieder eine potentiell negative Nachricht aus Schweden herüberschwappen würde. Auf die hätten sich die deutsche Politik und die Medien wie die Aasgeier gestürzt, um sie in der Folge breiter zu treten, als einen Haufen Hundekacke in der Fußgängerzone am Black Friday.
Jetzt war es dann offensichtlich mal wieder soweit. Ich hätte die übliche Wikinger-Phobie der Bundesregierung in Sachen Corona eigentlich kommentarlos übergangen, zumal ich sie schon viel zu oft in diesem Blog relativieren musste (Anm.d.Red.: Ich habe das Suchprogramm laufen lassen und allein 74 Mal das Wort ´Schweden´ gefunden, u.a. sehr oft im Blog vom 11.05.20, ´Von Wikingern und Teutonen´). Dieses Mal wurde aber eine Strategie gefahren, die in der Schweden Frage noch neu war.
Hatte man sich bisher darauf verlegt, das Scheitern Schwedens wenigstens mit den eigenen zweifelhaften Argumenten zu untermauern, scheint man sich inzwischen die Mühe zu sparen und nur noch auf eine einfach verständliche Polemik zurückzugreifen, mit der auch schon Donald Trump beim einfachen Volk Erfolge feierte. Die Strategie ist denkbar einfach: Der Sender der Botschaft haut einfach eine Aussage raus, wie beispielweise ´Biden hat die Wahl gestohlen´ oder ´vom Onanieren bekommt man krumme Finger´, in der Gewissheit der einfach Gestricktere in der Gruppe der Empfänger geht nicht weiter ins Detail, merkt sich aber die transportierte Botschaft. Das geschieht unbewusst und ungeachtet des Wahrheitsgehaltes und so ist es auch egal, ob die Gegenseite versucht die Aussage zu widerlegen. Beim nächsten Mal kann der Sender auf diesen zweifelhaften Thesen aufbauen, ohne sie noch einmal erwähnen zu müssen. Nach diesem Prinzip funktionieren gemeinhin eher Waschmittelwerbungen. Egal wie bekloppt ein solcher Spot auch ist, wenn man im Supermarkt steht, erinnert man sich nur noch an das Produkt und greift zu. Wer sich also nicht die Zeit nimmt, Meldungen zum Scheitern des schwedischen Weges etwas kritischer zu hinterfragen, der dürfte auch kein Problem mit der Aussage haben, dass Ariel sogar unsichtbare Flecken entfernen kann.
So hat ntv beispielsweise in diesen Tagen eine Reportage folgendermaßen angekündigt: ´Viele Länder haben große Probleme mit der Corona-Pandemie. So ist Schweden mit seinem Sonderweg gescheitert. Sehen sie nun eine Reportage, wie andere europäische Länder mit der Pandemie umgehen…!´ Es folgte ein ausführlicher Bericht über die angespannte Lage in Belgien, England, Italien, Frankreich und den Niederlanden. Allein Schweden fand keine Erwähnung. Wozu sich noch Fakten aus den Fingern saugen, wenn doch die Kernaussage ausreicht?
Als dann auch noch Markus Söder selbige steile These in seiner Pressekonferenz aufstellte, war ich angespitzt und habe mich natürlich auf die Suche gemacht, was wohl in Schweden passiert sein könnte, um die neuerliche Aufmerksamkeit zu rechtfertigen. Fündig wurde ich bei der Frankfurter Rundschau, auch nicht gerade bekannt als Sprachrohr der VT´s (Anm.d.Red.: Abkürzung für Verschwörungstheoretiker. Was denn? Ich hab die Abkürzung nicht erfunden!). Nun muss man vorausschicken, dass die Printmedien einen anderen Weg gehen müssen als die Nachrichtensender. Da man schlecht nur mit einer Überschrift arbeiten kann, versteckt man einfach unbequeme Fakten im Fließtext, und zwar nach möglichst viel unnötigem Geschwurbel ganz am Ende (Anm.d.Red.: Selbst die Bildzeitung kann nicht nur mit Schlagzeilen arbeiten und dann einfach den Fließtext weglassen. Nun ist es natürlich in der Bild stets viel Überschrift und ein sehr überschaubarer Bericht. Das könnte vielleicht auch der Grund sein, warum gerade dieses Boulevardblatt nicht so sehr auf dem Mainstream schwimmt. Denn es ist schwerer unangenehme Fakten weiter unter zu verstecken, wenn es kein ´weiter unten´ gibt). Anders kann ich mir nicht erklären, wie die FR in der Überschrift `Schweden – Sonderweg gescheitert` titeln konnte, während man aus den Details unten im Text einen komplett anderen Eindruck entnehmen konnte. Zunächst wurde schwermütig und wortreich von dem harten Winter berichtet, auf den der Ministerpräsident Schwedens, Kjell Stefan Löfven, sein Volk einstellte, welche harten Maßnahmen nun getroffen werden müssten und wie sehr sich das Land mit seinem liberalen Kurs doch verrechnet habe. Als dann nach viel lamentieren endlich die Maßnahmen aufgezählt wurden, musste ich dann doch kurz auflachen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der schwedische Weg weitestgehend unangetastet bleibt. Er wurde vielmehr nur leicht auf die neuen Umstände adaptiert. Neben dem Festhalten an viel Eigenverantwortung bleibt alles geöffnet, von Schulen über Gastro bis zum Einzelhandel. Auch die schwachsinnige Maskenpflicht wird nach wie vor als wenig zielführend angesehen und das Tragen ist jedem Einzelnen selbst überlassen (Anm.d.Red.: Zum 100. Mal: FFP2 schützen den Träger und somit kann jeder selbst für sich entscheiden und muss nicht andere damit nerven). Hauptziel bleibt der Schutz der vulnerablen Gruppen. Die einzige wirkliche Neuerung ist die Reduzierung der Kontakte durch Beschränkung auf 50 Personen bei Feiern und 8 Gäste pro Tisch in der Gastronomie. Für mich reagiert Schweden besonnen und angemessen auf die geänderte Situation mit erhöhten Infektionszahlen. Daran ist nichts Verwerfliches. Lächerlich wird es jedoch, vom Scheitern und Einknicken zu reden, wenn sich 8 Personen ohne Maske an einem Kneipentisch treffen dürfen. Besonders, wenn die Kritik aus einem Land kommt, in dem man die Infektionszahlen nicht in den Griff bekommt, obwohl man die Gastronomie erst zu enormen Ausgaben gezwungen hat, um sie anschließend dicht zu machen, Regel auf Regel erlässt und die Leute täglich so in Panik versetzt hat, dass einige inzwischen ernsthaft Angstzustände bekommen, wenn unter freiem Himmel jemand ohne Maske an ihnen vorbeigeht.
Wenn in Schweden die Leute sich, aufgrund eines besonnenen Umgangs mit der Pandemie, mit schweren medizinischen Problemen ins Krankenhaus, zu Vorsorgeuntersuchungen zum Arzt oder zum Blutspenden trauen, hat man vieles richtig gemacht und wir sollten nicht so arrogant sein zu glauben, dass unser coronales Handeln kurz- und mittelfristig nicht mehr Todesopfer fordert, als wir uns, dank dieser verschwurbelten ´an´ und ´mit´ Corona-Zählweise, gerade selber schön rechnen .
Wenn in Schweden die Leute weiter ins Lokal gehen, Shoppen, ins Fitnesscenter oder ins Theater und damit ihre eigene Wirtschaft und ihr normales Leben am Laufen halten, sollten wir uns nicht erdreisten darüber zu urteilen. Vielleicht sollten wir uns einfach einmal fragen, wie lange wir uns dagegen den eigenen Weg noch leisten können, bei dem wir von einer Milliardenhilfe in die nächste taumeln.
Schweden – ich wünsche euch viel Glück und haltet durch!