Über das Wochenende hat sich nichts an der Corona-Situation geändert. Die Infektions-Zahlen gehen weiter hoch, und die Maßnahmen, die alle Regierungen in Europa ergreifen halten die Pandemie nicht auf. Da die Politik aber niemals schuld sein kann, wurden wie immer Maskenverweigerer und junge sorglose Menschen beim schutzlosen Partytreiben beschuldigt.
Im Subtext weißt man zwar auch nach wie vor auf die Problematik der großen Hochzeits- beziehungsweise Familienfeiern hin, dürfte aber auch dieses Wochenende wieder tatenlos zugesehen haben. Zumindest ist mir keine Aktion zu Ohren gekommen, bei der eine laufende Veranstaltung aufgelöst worden wäre, zumal ein solcher Versuch sicher nicht ohne kriegsähnliche Zustände und damit sicher nicht ohne ein gewisses Maß an medialer Aufmerksamkeit abgelaufen wäre.
Während man also bei normalem Kneipenpartys, die für vulnerable Gruppen kaum eine Gefahr darstellen sollten mit einer Hundertschaft Polizei einmarschierte, wie am Wochenende auf der Reeperbahn bei einer Kellerparty geschehen, begnügt man sich beim eigentlich risikoreicheren Happening mit bis zu vier Generationen in einem Raum, wenn überhaupt, mit einer nachgeschalteten Quarantäne für die Teilnehmer, wie heute bei den 230 Teilnehmern einer Groß-Hochzeit im saarländischen Großrosseln geschehen (Anm.d.Red.: Was lernen wir daraus? Es muss noch nicht einmal eine No-Go Area wie die Dortmunder Nordstadt oder Duisburg Obermarxloh sein, um in Corona Zeiten in Ruhe ohne Personenbegrenzung feiern zu können. Es reicht schon, wenn anzunehmen ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hochzeitsgäste besser bewaffnet ist als die ortsansässige Polizei).
Jetzt mag dem Coronatiker das Wort ´Quarantäne´ immer noch wohlige Schauer irgendwo zwischen Sicherheit und Schadenfreude über den Rücken treiben. Allerdings weiß ich aus Berichten von Betroffenen, dass das, was sich nach einer relativ tollen Maßnahme zur Infektionsbegrenzung anhört, in Wirklichkeit kaum über den Status eines mittelmäßigen Witzes hinausgeht. Im vorliegenden Fall musste sich eine Freundin von mir, die im pädagogischen Bereich tätig ist, berufsbedingt, nach einem Kontakt mit einem Corona-infizierten Schüler, bereits zum zweiten Mal in diesen privaten Mini-Lockdown begeben, der in diesem Bundesland aus bis zu zwei Corona-Tests besteht, gefolgt von einer zehntägigen häuslichen Quarantäne, die man frühestens nach fünf Tagen mit einem weiteren Test vorzeitig beenden darf. Zunächst führte die hinlänglich bekannte, lange Wartezeit von bis zu fünf Tagen beim Testergebnis, die Verkürzungsmöglichkeit von zehn auf fünf Tage etwas ad absurdum. Viel armseliger ist aber der Fakt, dass das Gesundheitsamt sich in den ersten Tagen der Quarantäne nicht gemeldet hat, geschweige denn zu einem Kontroll- oder Aufklärungsbesuch erschienen wäre. Nachdem dann der dritte Test nach fünf Tagen ebenfalls negativ ausgefallen war und die Betreffende sich bereits wieder selbst aus der Quarantäne entlassen hatte, kamen die Damen und Herren am sechsten Tag angeschissen und wiesen darauf hin, dass in den vergangenen fünf Tagen folgende Aktionen hätten durchgeführt werden müssen: Zweimal am Tag Fieber messen, nicht mit den Bewohnern des Haushaltes zusammen Mahlzeiten einnehmen, sowie Fremdkontakte und/oder Corona-Symptome aufschreiben. Hinterher ist man immer schlauer, dachte meine Freundin, die natürlich nichts davon gemacht hatte und ging fortan wieder fröhlich ihrer Wege.
Ein Totalversagen des Gesundheitsamtes auf der ganzen Linie, zumal diese Geschichte sich zu einer Zeit abspielte, als die Infektionszahlen noch im Keller waren und eigentlich genug Test- und Kontrollkapazitäten zur Verfügung hätten stehen müssen. Das macht doch richtig Mut in der aktuellen Situation, dass irgendwas von den Maßnahmen, die die Regierung als so essenziell betrachtet, wirklich greifen.
Während also die deutsche Bevölkerung noch paralysiert auf die Ereignisse des Wochenendes blickt und der Landkarte mit den Risikogebieten beim ´rot-werden´ zuschaut, versucht die Regierung unter dem Radar neue Pandemie-Sondergesetze zu erlassen, die vor allem dem Bundesgesundheitsminister weitreichende Befugnisse geben würden. Dauereingriffsrechte, schon im Vorfeld einer Pandemie würden es zulassen, dass der Bundesgesundheitsminister zukünftig umfangreiche Daten von Einreisenden aus Risikogebeten abfragen könnte. Auch ein Verbot für Fluggesellschaften, Reisende aus Risikogebieten zu befördern, wäre denkbar.
Auch wenn sich die Regierung noch bedeckt hält, aber einige Ungeheuerlichkeiten, wie beispielweise die Zwangsrekrutierung von Ärzten in Pandemiesituationen, die bei der ersten Welle mit einer begrenzten Haltbarkeit bis März 2021 erlassen wurden, dürften wieder auf den Tisch kommen. Das Wort ´Verstetigung´ hatte dabei heute seinen großen Auftritt. Der Definition nach bedeutet das nichts anderes, als dass eine Ausnahmeregelung zur gängigen Praxis gemacht werden soll. Anders ausgedrückt, die Bundes- und Länderregierungen sind dabei genau das zu tun, was ich bereits seit Monaten kommen sehe: Corona-bedingte Sonderregelungen in Gesetze gießen, die es einer Regierung auch in Zukunft in ähnlichen Situationen erlaubt, am Parlament vorbei zu regieren. Einen ´entsprechende Gefährdung durch eine schwerwiegende übertragbare Krankheit´ wie es so schön in den Entwürfen heißt, dürfte sich in jedem Fall bei Bedarf finden.
Während dem gros der Bevölkerung solcherlei Aktivitäten gar nicht auffallen, schließlich hat die Bundesregierung es erfolgreich geschafft, die CPU und den begrenzten Arbeitsspeicher des kleinen Mannes mit ständig wechselnden und verschärfenden Regelungen zu überlasten, haben sich FDP, Grüne sowie Die Linke unerwarteter Weise an ihre Aufgaben als Oppositionsparteien erinnert und mal freundlich nachfragt, ob solcherlei Treiben in einer Demokratie nicht im Parlament und im Vorfeld diskutiert werden solle (Anm.d.Red.: Ich bin kein Fan der Linken, aber die Aussage von Katja Kipping ´Eine epidemiologische Not, darf nicht zum Notstand der Demokratie werden´ hat durchaus Potential zum Klassiker, auch wenn er von der Ex-Stasi-Partei kommt, deren Kernkompetenz nicht unbedingt auf diesem Sektor liegt). Da es sich, für jeden Bürger mit Demokratierestbewusstsein, sicherlich um eine berechtigte Nachfrage handelte, ist die Reaktion der Bundesregierung, in Form ihrer Corona-Gallionsfigur Markus, ´The Bavarian Jesus´, Söder beim heutigen Presseauftritt schon nicht mehr als frech, sondern eher als befremdlich zu bezeichnen.
Ich bin es seit Monaten gewohnt, darüber zu berichten, dass die Regierung Einzelpersonen, die nicht zu 100% auf Regierungslinie liegen, umgehend als die berühmten rechten, antisemitischen Aluhutträger diffamiert werden. Es hat allerdings schon eine neue Dimension der Beschneidung der Meinungsfreiheit, wenn die bayrische Regierung eine nachweislich demokratische Partei mit diesem coronalen Bannfluch belegt. So geschehen heute, als die FDP parlamentarische Grundsätze auch in Pandemie-Zeiten anmahnte und der Regierung vorschlug, doch wieder ein wenig Augenmaß in der aktuellen Corona-Regelungswut anzuwenden. Mit jovialer Miene legte Markus Söder daraufhin den Liberalen nahe, ihrer Position zu überdenken, läge sie doch auf einer Linie mit der AfD (Anm.d.Red.: Es hat sich nicht erst seit Corona etabliert, Diskussionen mit politische Gegner zu umgehen, indem man sie in einem Atemzug mit der bösen Schmuddelpartei AfD nennt. Ein, meiner Meinung nach, zumindest diskussionswürdiger Mechanismus, Aussagen der AfD per se als falsch zu definieren).
Inzwischen unterstützen auch Rechtsexperten die linken und liberalen Oppositionsparteien in ihrer Forderung, dass die Bundesregierung ihre Corona-Entscheidungen langsam mal wieder auf Basis der parlamentarischen Demokratie fällen sollten. Aber auch auf einem anderen Gebiet regt sich zunehmend Widerstand. So weisen Mediziner und Psychologen darauf hin, dass die Regierung mit ihrem fragwürdigen Corona-Regelkreis, bestehend aus immer neuen und unabgestimmten Vorschriften für das Volk, die man dann umgehend durch das Verbreiten von Panik und dem Erzeugen von Schuldbewusstsein einfordern will, auch die linientreue Bevölkerung immer mehr in die Corona-Müdigkeit treiben könnte. Der Chef der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, warnte heute, angesichts der moderaten Zahl an schweren Corona-Verläufen, den Bogen zu überspannen und mit einer überzogenen Panikmache die Akzeptanz im Volk zu verlieren. Hier wären wir wieder beim Thema von letzter Woche, dass die Regierung stur an ihrem Kurs aus dem Frühjahr festhält, obwohl der Infektionsverlauf nicht vergleichbar ist und somit eine alternative Vorgehensweise nahelegen würde. Doch statt diese Tatsache als willkommene Begründung für eine Nachjustierung ihrer Strategie zu nehmen, ohne dass die Opposition ihnen am Zeug flicken könnte, lässt die Regierung sich erneut von steigenden Infektionszahlen von einer nutzlosen Regelverschärfung zur anderen treiben, anstatt mal auf eine andere Gruppe von Experten zu hören und schwere Verläufe und Intensivbettenbelegung im Auge zu behalten. So geht der Krug auch weiter zum Brunnen und es dürfte eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis er bricht.