Appsoluter Quatsch

Es geht einmal mehr um die unsägliche Corona-App. Heute gab es mal wieder eine Bundespressekonferenz, in der ein Resümee gezogen wurde, weil die App nun 100 Tage online ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Verantwortlichen, allen voran Jens Spahn, sich dermaßen für die App gefeiert haben, das dem Zuhörer fast schon schlecht werden musste. Der Sprecher der IT-Dienstleister hat ernsthaft alle Beteiligten mit Rockstars verglichen.

Es hat ein paar Minuten gedauert, bis ich vor Lachen wieder atmen konnte und auch wenn ich glaube, dass in meiner Leserschaft kaum jemand die Corona-Warn-App nutzt, sollten an dieser Stelle trotzdem ein paar Details angesprochen werden.

Kommen wir zunächst zu den nackten Fakten. Die Corona-Warn-App hat den beauftragten Firmen, Telekom und SAP, aktuell 70 Millionen in die Kassen gespült. Tendenz steigend, denn inzwischen arbeitet man auch an einer europäischen Lösung, die künftig auf Basis der deutschen Anwendung laufen soll. In den 100 Tagen ihrer armseligen Existenz wurde die App circa 18 Millionen Mal heruntergeladen und deckt augenscheinlich etwa 20% der Bevölkerung ab. Gestartet als reine Warn-App, wird inzwischen ein Großteil der Corona-Tests, sprich die Benachrichtigung zum Testergebnis von 168 Laboren, ebenfalls in dieser Anwendung abgewickelt (Anm.d.Red.: 15 Labore haben sich übrigens geweigert, weil ihnen der Aufwand zum Anschluss an die App zu hoch war). Die App wird somit immer komplexer. In naher Zukunft wird auch noch eine Symptomabfrage hinzukommen.

Aber der Reihe nach. Da wäre zunächst das Statement der Entwickler zum 100-tägigen Geburtstag. Hier gilt, wie eigentlich überall in Corona Themen: Deutschland ist der Held im Erdbeerfeld und alle schauen neidisch zu uns herüber. Der Sprecher aus dem ´Maschinenraum´, wie der IT-Dienstleister sich heute auf der Pressekonferenz mit der, einem Computer Nerd gegebenen Jovialität vorstellte, zeigte sich überzeugt, dass Telekom und SAP den anderen Ländern gezeigt habe, wo zum Thema Digitalisierung der Hammer hängt. Das wäre dann auch einer der Gründe, warum die deutsche App in Zukunft als Plattform für eine europäische Lösung verwendet werden würde. Nun bin ich absoluter Laie, was das Programmieren betrifft und möchte mir hier kein Urteil erlauben. Allerdings empfinde ich die ständigen Softwarebugs und Systemabstürze in den letzten Monaten nicht unbedingt als besonders großartige Visitenkarte. Auch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ein Freund von mir, Gründer einer Softwarefirma, die maßgeschneiderte Lösungen für den Mittelstand liefert, seinen Chef-Programmierer mit den Worten zitiert: ´Diesen Kinderkram hätten wir in der Hälfte der Zeit für 300.000€ programmiert´.

 Richtig peinlich wurde die Pressekonferenz, zumindest für jemanden, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt hat, als Jens Spahn sich und Restdeutschland in Bezug auf die Erfolgsgeschichte wieder die Hucke vollgelogen hat. Besonders übel wurde es bei den Nutzerzahlen, dem Kennwert, der eine Abschätzung darüber erlaubt, wieviel Sinn die Cororna-Warn-App überhaupt macht (Anm.d.Red.: Erinnern wir uns: Noch im Juni wurde vom Bundesgesundheitsminister von mindestens 50 Millionen Usern gesprochen, die gebraucht werden, um eine ordnungsgemäße Funktion der App zu gewährleisten. Schon damals zeichnete sich ab, dass diese Zahlen illusorisch sind, weswegen dieser Wert in der Versenkung verschwand und man seitdem dazu übergegangen ist, die lächerlich kleinen Zuwachszahlen bei den Downloads als Erfolg zu verkaufen, siehe unter anderem mein Blog vom 29.06.20, ´Alles Tutti´). Inzwischen wurde die App etwa 18 Millionen Mal heruntergeladen, was Lichtjahre von den Erwartungen entfernt ist und zeigt, dass es mit der Unterstützung der Regierungsstrategie nicht so weit her ist, wie uns die Medien weißmachen wollen.

Jens Spahn muss das natürlich anders sehen und so wurden die mickrigen 20% der deutschen Bevölkerung, die inzwischen die App runtergeladen haben, als großartiger Erfolg gefeiert. Schaut man sich die Hintergründe genauer an, erkennt man jedoch, dass sogar diese Zahl noch viel zu hoch gegriffen ist und noch viel mehr Menschen die Warn-App ignorieren. Zur Erklärung an dieser Stelle, die kleine Story eines Freundes, der auszog, um mit seiner vierköpfigen Familie in dem unkritischen Urlaubsland Frankreich zu machen und letztendlich als Risikotourist zurückkam. Die nun anstehenden Zwangstests wären kein Problem gewesen, wenn da nicht der QR Code gewesen wäre, der zur Rückmeldung der Testergebnisse heruntergeladen werden muss, will man nicht ewig auf das Testergebnis in Quarantäne warten oder in das bayrische Pannenloch fallen und gar keine Rückmeldung bekommen. Dieser Code kann allerdings nur genutzt werden, wenn man die Corona-Warn-App heruntergeladen hat. Der absolute Knaller dabei ist, dass man sie für jede Person auf einem separaten Endgerät, wie Handy oder Tablet, laden muss. Die App kann nämlich nur einen laufenden Test verwalten und kann nur einmal pro Endgerät geladen werden. Mit anderen Worten, um ein schnelles Testergebnis für seine vierköpfige Familie zu erhalten, war mein Freund nicht nur gezwungen die Corona-Warn-App vier Mal zu laden, sondern er musste auch vier Endgeräte beschaffen, zumal ein Zweijähriger, sogar in den beklopptesten Familien heutzutage selten ein eigenes Handy besitzt (Anm.d.Red.: Es macht auch keinen Sinn die Tests nacheinander auf ein und derselben App einzuscannen, denn dafür müsste der vorherige Test gelöscht werden. Der ist aber 14 Tage in der App aufzuheben. Verrückter geht es eigentlich nicht).

Sind diese Vorgänge schon lächerlich, dann können die Folgerungen daraus den normalen Menschen nur noch resigniert den Kopf sinken lassen. Denn die 18 Millionen Downloads setzen sich nämlich nicht aus denen zusammen, die mit der Nutzung der App einen Liebesbeweis an all jene liefern, die sie lieben, wie es die Staatssekretärin und Digitalisierungsbeauftragten der Regierung , Dorothea Bär, heute Morgen sehr schwülstig formulierte (Anm.d.Red.: Im selben Atemzug wurden alle App-Verweigerer die eine andere Meinung in Corona Dingen haben, wie seit Corona üblich von ihr als die Anderen bezeichnet, die die ´Realität der Pandemie nicht wahrhaben wollen´). Zunächst einmal können all jene abgezogen werden, die die App, wie mein Freund notgedrungen und dann auch noch gleich mehrmals pro Familienmitglied geladen haben, um zügig an ihre Testergebnisse zu kommen und nie vor hatten die Warn-Funktion selbst zu nutzen. Wie viel das von den 1,2 Millionen Tests sind, die seitdem laut Jens Spahn über die App abgewickelt wurden, darf sich jeder selber überlegen. Der Bundesgesundheitsminister jedenfalls zeigte sich verwundert über die Tatsache, dass nur 50% der Personen, die einen positiven Test über die App gemeldet bekommen auch wirklich den entsprechenden Button drücken, der alle Freunde und auch mögliche Kontakte anonym warnt. Mich wundert es wie gesagt nicht, denn die Downloads der letzten Wochen waren hauptsächlich zur Rückmeldung der Testergebnisse und nicht zur Infektionskettenverfolgung erfolgt. Alle, die wirklich als Corona-Jünger der Regierung folgen hatten sicher bereits in den ersten beiden Wochen installiert.

In dem Zusammenhang ziehen wir noch all jene ab, die sich das Download aus reiner Neugier angetan haben und/oder nach dem ersten Absturz wieder gelöscht haben. Last but not least sind noch all die von der Nutzerliste zu streichen, die die App mal geladen, aber seitdem konsequent vergessen haben.

Schon sind wir nicht bei den vom Bundesgesundheitsminister so vollmundig verkündeten stetig steigenden Nutzerzahlen, sondern eher bei einer Stagnation/Rückgang in den letzten Wochen.

Falls es jemanden jetzt immer noch nicht aufgefallen sein sollte. Die Angabe der Downloads nicht in Verbindung mit den eigentlich aktiven Usern zu nennen, entspricht dem aktuellen Halbwahrheitskurs der Regierung, den wir auch schon bei diversen anderen Anlässen bewundern durften, wie beispielsweise, wenn sie sich mal wieder besser als Schweden darstellen will und die Zahl der Toten auf die Gesamtbevölkerung und nicht auf die Zahl der Infizierten bezieht (Anm.d.Red.: siehe unter Anderem mein Blog vom 11.06.20, ´Tag im Meer´). Wie viele kostenlose Apps hat jeder von uns schon runtergeladen und hinterher gelöscht? Jens Spahn setzt kackfrech die Zahl der Downloads mit Usern gleich, obwohl die Betreiber der App es definitiv besser wissen, weil sie feststellen können, wie viele User wirklich nach dem Download noch aktiv die Corona-Warn-App nutzen. Schade, dass man Deinstallationen in dem Zusammenhang nicht statistisch erfassen kann.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Zahl der Nutzer bei der Corona-Warn-App nicht nur deutlich hinter den Erwartungen der Macher zurückbleibt, sondern wahrscheinlich auch noch um mehrere Millionen Nutzer niedriger liegt, als Jens Spahn uns weismachen will. Wie groß die Verzweiflung ist, beweist auch eine Studie, die eigentlich nichts anderes macht, als die kapitale Bauchlandung der App schön zu rechnen. Hier wurde herausgefunden, das bereits bei einer Nutzung von 15% der Bevölkerung die Mortalitäts- und Infektionsraten deutlich sinken. Das wären dann etwa 12,5 Millionen Menschen und damit komischerweise genau die Zahl an Downloads, die in den ersten Wochen erreicht wurden. Ich bin nicht sicher, dass es inzwischen überhaupt noch so viele User sind.

 

Mir sagen diese Zahlen nur, dass die Unterstützung der Corona Maßnahmen in der Bevölkerung gewiss nicht bei den 90% liegen, die Umfragen regelmäßig herausfinden wollen. Wenn ich von etwas überzeugt bin, das man mit dem simplen Downloaden einer kostenlosen App unterstützen kann, ich sähe kein Problem dies zu tun.