Ich sehe nicht gerne das Politmagazin ´plusminus´, in dem Missstände in Politik, Verwaltung und anderen Bereichen des öffentlichen Interesses aufgedeckt werden. Hinterher habe ich nämlich meist schlechte Laune und einige mehr oder weniger bekannte Zeitgenossen haben bei mir bis in die Steinzeit verschissen. Da machte der gestrige Abend keine Ausnahme. Allerdings musste ich meine Meinung dieses Mal nicht einmal ändern, denn die Hauptprotagonisten in den Reportagen sind in meiner Gunst ohnehin schon irgendwo in die Regionen gesunken, in denen sich normal nur Despoten, Kakerlaken oder Kim Kardashian tummeln.
Es ging um die Reportage über Importeure von FFP 2 sowie OP-Masken, die zurzeit auf ihrer Ware sitzen und vom Bundesgesundheitsministerium nicht bezahlt werden. Angefangen hat alles im Frühjahr, als die Verantwortlichen in Sachen Corona vollkommen überreagiert haben. Allen voran Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sehr schnell feststellen musste, dass für diese unsägliche Strategie des rigiden Infektionsschutzes, der später im Lockdown und der ruinierten Wirtschaft enden sollte, eigentlich gar nicht genügend Schutzkleidung, insbesondere geeignete Atemschutzmasken verfügbar waren. Die Gründe sind vielschichtig, können aber wie die komplette Misere auf dem Medizinsektor alle unmittelbar auf Fehlentscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums zurückgeführt werden, wie beispielweise die fehlende Bevorratung von medizinischem Equipment für nationale Notlagen oder die Verlagerung der Produktion von wichtigen Arzneimitteln in Billiglohnländer (Anm.d.Red.: Inzwischen unterstützt die Bundesregierung die Entwicklung des Corona-Impfstoffes als allmächtigen Heilsbringer, während sie in den letzten 30 Jahren zugelassen hat, dass die Pharmaunternehmen auf dem Gebiet der Antibiotika, wegen fehlender Margen, nur ganz sporadisch Finger gerührt haben und wir dank dieser falschen Strategie heute mit multiresistenten Keimen geschlagen sind).
Konfrontiert mit diesem Problem verfolgten die Verantwortlichen gleich mehrere Strategien, die alle für sich betrachtet schon einer gewissen Peinlichkeit nicht entbehrten. Um in der Öffentlichkeit nicht der Untätigkeit beschuldigt zu werden besorgte man kurzfristig, wahrscheinlich zu lächerlich hohen Preisen, Schutzmasken in China und ließ sich bei der Ankunft medienwirksam am Flughafen mit den Kisten ablichten (Anm.d.Red.: siehe mein Blog vom 27.04.20, ´Luftnummern´). Diese Masken dürften heute noch in irgendwelchen Krankenhauskellern lagern und auf den, wohl nie kommenden Ansturm der schweren Corona-Fälle in deutschen Krankenhäusern harren (Anm.d.Red.: Im täglichen Ärzteleben sind solche Artikel, nach Aussagen von befreundeten Ärzten jedenfalls nicht angekommen. Man vergisst in Corona-Zeiten oft, dass Menschen auch noch andere Leiden bekommen können als das Virus. Die hier arbeitenden Ärzte hätten es auch verdient in den letzten Monaten einen adäquaten Schutz zu haben). Der deutschen Bevölkerung hat man, mangels Materials, einfach so lange eine angeregte Diskussion über den Nutzen einer Maskenpflicht in den Medien vorgespielt, bis man sicher sein konnte, dass über die privaten Beschaffungskanäle genug Masken bereit standen oder von irgendwelchen Omas zusammengeklöppelt worden waren. Dann kam Jens Spahn ganz überraschend zu der Erkenntnis, dass Masken Sinn machen und seitdem atmet und kommuniziert ganz Deutschland in der Öffentlichkeit nur noch durch ein Stück Stoff.
Die Geschichte hätte an dieser Stelle enden können, aber wie immer, wenn Politiker wissen, dass man ihnen auf die Finger schaut, neigen sie zu blindem und unüberlegtem Aktionismus. Das führt dann regelmäßig dazu, dass Bundesminister ein Thema zur Chefsache erklären und selbst in die Hand nehmen. Da sie aber in den meisten Fällen nur ihre Karrieregeilheit, sowie die richtigen Netzwerke und selten Kompetenz auf ihren Posten gebracht hat, haben sie keine Ahnung, wie man solche Projekte stemmt und engagieren deshalb sauteure Unternehmensberatungen. Die haben zwar auch keine Ahnung, aber wenigstens beherrschen sie das Prinzip des sicheren Auftretens bei vollkommener Ahnungslosigkeit. Genauer gesagt, sie haben es erfunden. Am Ende wurden Millionen Steuergelder verpulvert und Folgeaufträge an Unternehmen verschachert, in denen vorzugsweise ehemalige Mitarbeiter von Parasiten wie Boston Consulting oder Roland Berger in Führungspositionen sitzen. Bekommen hat der deutsche Staat dann Mautsysteme, die nicht funktionieren und für das dreifache der Ursprungssumme nachgebessert werden müssen, Drohnen, die nicht fliegen oder Gewehre, die um die Ecke schießen.
So ist auch Bundesgesundheitsminister und gelernter Bankkaufmann Jens Spahn in dieser Situation in guter Tradition, bar jeglicher Erfahrung in einem vertraglich und organisatorisch anspruchsvollen Großprojekt zu einem medizinischen Thema, an Ernest und Young herangetreten und hat begonnen, mit den zur Verfügung stehenden 1,6 Mrd. Euro zur Pandemiebekämpfung um sich zu werfen (Anm.d.Red.: Ja, EY sind die Wirtschaftsprüfer, die schon so gut geprüft haben, dass uns Wirecard um die Ohren geflogen ist und nein, ich möchte keine Spekulationen darüber anstellen, ob es Zufall ist, dass die 9,5 Millionen kassiert haben, während der Bundesgesundheitsminister sich mit seinem Gehalt im Nachgang eine 5 Millionen Villa in Berlin finanzieren kann). Aus dieser unseligen Kooperation kam ein Konstrukt heraus, dass sich ´Open-House-Verfahren´ schimpft. Die perverse Idee dahinter, man lässt möglichst viele Beschaffer einer Ware loslaufen und garantiert die Abnahme zu einem Festpreis, wenn diese in einem gewissen Volumen zu einem festgesetzten Termin bereitsteht (Anm.d.Red.: Im vorliegenden Falle bekam jedes Unternehmen von Jens Spahn den Zuschlag, wenn sie es schafften mindestens 25.000 Masken bis zum 30.April bereitzustellen. Dabei wurden 4,50€ für die FFP2 Maske, auch für die billige Version ohne Filter, sowie 60 Cent pro OP-Maske garantiert). Das ist nichts anderes, als wenn sie um 18 Uhr Pizza Margherita bestellen und jedem Pizzaservice garantieren alle zum Fantasiepreis von 15€ abzunehmen, wenn bis 20 Uhr geliefert wird. Jeder normale Mensch kann sich vorstellen, was dann passiert. Dem guten Jensemann fehlte dazu offensichtlich die Fantasie.
Man kann nun lange spekulieren, ob chinesische Lieferanten unterstützt von der Zentralregierung, ähnlich wie die OPEC beim Rohöl, das Angebot an medizinischen Schutzartikeln bewusst verknappt haben, um zunächst den Preis hochzutreiben, weil sich die Staaten der Welt in Corona-Panik um Schutzkleidung balgten wie Köter um einen stinkenden Knochen. Fakt ist, dass vom Bundesgesundheitsministerium über 700 Verträge mit überhöhten Preisgarantien geschlossen wurden. Gesamtvolumen: 6,4 Milliarden Euro statt der ursprünglich geplanten 1,6 Milliarden. Allein an Masken dürften inzwischen Vorräte im dreistelligen Millionenbereich hierzulande lagern.
Während unser beispielhafter Pizzafreund pleite und wahrscheinlich in der Geschlossenen sitzen würde, wird Jens Spahn von vielen immer noch als der kompetente Corona-Krisenmanager gesehen, obwohl er gerade das vierfache des Budgets stellvertretend für den Steuerzahler rausgeblasen hat.
Das Ganze wäre wahrscheinlich noch nicht einmal weiter aufgefallen, wenn an diesem nicht gerade rühmlichen Punkt das Bundesgesundheitsministerium die Masken als Notvorrat für zukünftige Pandemielagen eingelagert hätte, auch wenn die Masken nur maximal zwei Jahre haltbar sind. Kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums hätte man das Zeug dann immer noch medienwirksam an medizinische Einrichtungen verteilen können, die grundsätzlich einen Mangel an Schutzausrüstung haben (Anm.d.Red.: Nicht wegen Corona, sondern wegen eines kaputtgesparten Gesundheitssystems). Doch getan wurde das denkbar Schlechteste: Nix! Man lässt viele Vertragspartner kommentarlos auf ihrer Ware sitzen oder verweigert die Abnahme wegen fadenscheiniger Qualitätsmängel, ohne allerdings qualifizierte Prüfberichte zu liefern. Inzwischen haben mindestens 60 Lieferanten geklagt und es geht um eine Gesamtklagesumme von über einer Milliarde Euro.
Natürlich habe ich nicht erst in den letzten Monaten sehr viel über die teilweise unterirdische Qualität chinesischer Waren gelernt. Meine Freundin hat vor kurzem vom Krankenhaus Einweghandschuhe aus chinesischer Produktion zur Verfügung gestellt bekommen, die nach zehn Minuten zu offenen Ekzemen führten, mit denen sie eine Woche Spaß hatte (Anm.d.Red.: Wegen solcher bekannter Qualitätsmängel hätte der einigermaßen versierte Projektmanager erwartet, dass Jens Spahn und seine Schergen Verträge schließen, die wenigstens vor Versendung in China eine externe Qualitätskontrolle verlangt hätten). Trotzdem werden große Teile dieser Lieferungen ohne Mängel sein und es ist eine Frage der Verlässlichkeit, dass der Bund solche Lieferungen am Ende anstandslos übernimmt. Ein fatales Zeichen für zukünftige Katastrophenlagen. Der Bund verspielt sein Standing als verlässlicher Partner und damit die Chancen auf eine schnelle Lieferung von vielleicht zukünftig einmal dringend benötigtem Equipment.
Ich habe mich weiterhin gefragt, wie es diese Lieferanten überlebt haben, wenn sie seit April auf offene Zahlungen von mehreren Millionen warten. Die betroffene Textilimporteurin aus Düsseldorf hat beispielsweise offenen Forderungen von über 80 Millionen Euro und musste darüber hinaus auch noch sieben Lagerhallen, für die nicht übernommene Ware anmieten. Ich befürchte, dass die Antwort im zweiten Bericht der gestrigen plusminus-Sendung liegt. Hier ging es um die Risiken, die die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit sich bringen könnte. Kombiniert man nämlich dieses Geschenk der Regierung, was nichts anderes ist, als staatlich genehmigte Insolvenzverschleppung, mit der Zahlung des Kurzarbeitergeldes, kann man in etwa absehen, was da gerade auf uns zurollt (Anm.d.Red.: Praktischerweise wurde das Kurzarbeitergeld gerade bis nach der Bundestagswahl verlängert. Ich bin kein Fachmann, aber könnte es sein, dass es dann pünktlich zu Weihnachten 2021 zu der Pleitewelle kommt, die gerade trotz des Corona-bedingten Wirtschaftseinbruches so überraschend ausbleibt?).