Ein ganz normaler Tag im Homeoffice

05:15
Meine Freundin hat mich aus dem Schlaf gerissen, weil sie zum Dienst muss. Total rücksichtslos! Sie ist Ärztin und gehört damit zur gehypten Gruppe in Deutschland (Anm.d.Red.: Ein kurzer Ausflug in die Realität: Allein in ihrer Abteilung haben sich fast 50% der Pflegekräfte und Mediziner aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen krank gemeldet, gleichzeitig arbeiten Kollegen mit Asthma und Mundschutz weiter. Wenn alles vorbei ist werden sicher 100% gerne die Verdienstverbesserungen in diesen Sektor mitnehmen).

 

05:20
Ich kann nicht mehr einschlafen. Ich fühle mich fiebrig. Ich habe sicher Corona.

 

05:25

Meine Freundin kommt aus dem Bad. Ich flehe sie an mich gleich mit ins Krankenhaus zu nehmen. Sie misst meine Temperatur. Kein Fieber!

 

05:30
Ich muss niesen! Ich bin todkrank und sie trinkt seelenruhig Kaffee. Durch lautes Stöhnen beordere ich sie an mein Krankenlager. Sie verweist auf meinen Heuschnupfen und überhaupt wäre Schnupfen kein Symptom von Corona. Diese Quacksalberin! Und in den Medien sagen sie unser Gesundheitssystem sei gut vorbereitet….

 

05:35
Ich muss husten. Jetzt müssen aber auch bei ihr die Alarmglocken schrillen? Sie teilt mir mit, dass ich Glück habe und erst gestern ein neu entwickelter Schnelltest freigegeben wurde. Man steckt dem Patienten den Finger ins Ohr und schlägt gleichzeitig auf den Hinterkopf. Wenn er dann nicht hustet ist der Test negativ. Ich huste nicht, klage aber über den Schmerz am Hinterkopf. Sie gibt mir einen Abschiedskuss und fährt zur Arbeit.

 

09:55

Ich muss aufstehen, weil um 10 Uhr auf dem Balkon für den sozialen Zusammenhalt geklatscht wird. Da mein Nachbar ein übles Plappermaul ist und meine Mutter kennt, muss ich anwesend sein.

 

10:15

Nach dem ersten Klatschen des Tages, mache ich Kaffee und sehe mir die erste Pressekonferenz an. (Anm.d.Red.: Die Forschungsministerin Anja Karliczek gibt den aktuellen Stand bei der Corona Impfstoffentwicklung zum Besten. Wie gestern hat sie nichts Erbauliches zu berichten. Allerdings sind die Haare kürzer und der dunkle Haaransatz ist frisch gesträhnt. Da alle Friseure geschlossen haben, gehe ich davon aus, dass sie mit einem Haarstylisten in häuslicher Gemeinschaft lebt).

 

10:30
Ich gehe runter in den Netto und kehre unverrichteter Dinge zurück. Klopapier und Ravioli sind immer noch aus. Die Situation ist offensichtlich schlimmer als die Regierung zugeben will.

 

10:45
Um meine Panik zu zerstreuen sehe ich Hartz IV TV und erfahre, dass in Peru Hamsterkäufe nichts Besonderes wären, weil sie dort als Spezialität gelten. Während ich mich noch frage, ob der Moderator vielleicht etwas verwechselt hat, erinnert mich mein Handytermin daran, dass ich schon wieder auf den Balkon muss.

 

11:00

Ich klatsche für die Ärzte und das Pflegepersonal. Weniger aus Überzeugung, denn wegen meines Nachbarn, der auch meine Freundin kennt und wie schon gesagt, er ist ein Plappermaul.

 

11:30
Ich schalte mein Laptop ein und prüfe, ob die Mails, die ich gestern Nachmittag vorbereitet habe, heute Morgen auch ordnungsgemäß um 07:30 Uhr von meinem Account an meinen Chef versendet worden sind. Einem Impuls folgend gehe ich auf den Balkon und halte eine Schweigeminute ab, für die, die nicht im Homeoffice arbeiten.

 

11:40

Ich google nach dem Schnelltest, finde zu meiner Verwunderung außer einem lächerlich Aufwendigen der Firma Bosch nichts. Da es mir inzwischen besser geht, denke ich nicht weiter darüber nach und delegiere schnell ein paar Aufgaben per Mail in meiner Firma herum.

 

11:50

Ich wähle mich mit 20 minütiger Verspätung in eine Telefonkonferenz ein und entschuldige mich mit der überlasteten Konferenz App. Mein Plan geht auf, alle Aufgaben wurden bereits verteilt.

 

12:00

Das Klatschen für alle Eltern, die gerade einen übermenschlichen Job verrichten, lasse ich heute aus. (Anm.d.Red: Ernsthaftigkeitsmodus ein! - Ich habe nur begrenztes Verständnis für Mitmenschen, die Monate lang nur noch nach dem Fruchtbarkeitskalender Sex gemacht haben, Sperma pimpten oder teilweise sieben bis zehn künstliche Befruchtungen über sich ergehen ließen, um dann, wenn endlich der größte Wunsch in ihrem Leben erfüllt ist, zu Helden des Alltags stilisiert werden, nur weil sie es schaffen mal zwei Wochen am Stück mit der Brut zu verbringen. Nennt mich engstirnig, aber ich finde es denen gegenüber etwas sarkastisch, die sich gerade wirklich den Hintern wund arbeiten – Ernsthaftigkeitsmodus aus!)

 

12:15

Ich bestelle mir eine Pizza und ärgere mich, dass der Lieferservice 20 Minuten benötigt. Es hieß doch schließlich der Gastronomie würden die Kunden wegbrechen.

 

12:45

Ermattet von den Strapazen des Morgens und vier Käsesorten sinke ich auf der Couch in einen kurzen Powernap.

 

 

14:00

Ich erwache rechtzeitig zur täglichen Rede zur Lage der Nation, die die Bundeskanzlerin nach wie vor aus der Quarantäne hält. Allerdings schon wieder nur Audio. Wahrscheinlich sitzt die Frisur nicht. Ist halt dumm, wenn der Ehepartner Wissenschaftler ist und nicht wie bei Frau Karliczek Friseur.

 

14:30

Ich rufe Katzennamen vom Balkon, um auf die erste infizierte Hauskatze aufmerksam zu machen.

 

15:00

Mir ist langweilig. Ich lade willkürlich Kollegen zu einer Telco ein und ich kreiere ihnen Probleme, von denen sie vorher gar nicht wussten, das s sie sie hatten.

 

16:00
Ich bereite die Mails für den nächsten Tag vor, setze meinen Chef zwei Mal auf ´cc´, schiebe den Sendetermin für den nächsten Tag nach kurzer Bedenkzeit auf 06:45 Uhr und schalte umgehend den Abwesenheitsassistenten ein. Nach kurzer Überlegung lösche ich meinen Hinweis auf die schlechte Internetverfügbarkeit und schreibe stattdessen rein, dass ich aufgrund totaler Überlastung nur sporadisch auf E-Mails antworten kann.

 

16:15

Ich reiße einer Rentnerin im Netto die letzte Doppelpackung Klopapier aus den Händen und klaue einer Hausfrau, die gerade damit beschäftigt ist ihre übergewichtigen Blagen mitten im Supermarkt zu füttern, die Barilla Nudeln aus dem Einkaufswagen. Ich hätte noch jede Menge Buitoni Spaghetti bekommen können. Die schmecken auch besser, aber es geht ums Prinzip.

 

17:00

Über Skype treffe ich mich mit meinen Freunden auf ein Feierabendbier. Wir bedauern uns gegenseitig, weil der Arbeitsaufwand im Homeoffice eher noch zugenommen hat und demnächst der schmale Grad zum Burnout wohl überschritten wird.

 

18:00

Ich verabschiede mich, um nicht ´Wer weiß denn sowas´ mit Pflaumen-Kai zu verpassen. Es ist schön einmal am Tag mehr als zwei Personen auf einem Haufen zu sehen.

 

18:45

Das Wetter ist super und ich versuche eine Runde am Fluss zu joggen. Die Gruppen saufender Jugendlicher oder arabischer Großfamilien, die ganz legal als Bewohner eines, zugegeben großen, gemeinsamen Haushaltes im Park sitzen, kann man leicht umrunden, den gesperrten Kinderspielplatz, auf dem Hochbetrieb herrscht, lasse ich links liegen, aber als auch noch die Schlange vor der Eisdiele, die komischerweise nur Waffeln verkaufen darf, dicht an dicht über meine Laufstrecke steht, gebe ich frustriert auf.

 

19:30

Mir ist langweilig. Ich werfe eine fast leere Rolle Klopapier vom Balkon und sehe zu, wie sich einige Passanten um das kostbare Gut schlagen.

 

20:00
In den Nachrichten loben die Polizeisprecher in München und Berlin die Disziplin der Bevölkerung, die in der Öffentlichkeit alle Vorgaben brav einhalten. Empört rufe ich in unserer Polizeihauptverwaltung an. Auf Nachfrage wird mir mitgeteilt der Polizeisprecher sei nicht anwesend. Er gäbe vor der Tür gerade ein Interview zur guten Disziplin der Bevölkerung.

 

20:15

Ich sehe mir die dritte Wiederholung von ´Free Willy´ an, nachdem Bier Pong mit dem Nachbarn mangels Spielflüssigkeit ausfällt.

 

22:00

In den Nachrichten wird berichtet, dass Uli Hoeneß davon ausgeht, dass die Corona Krise die Gehälter und Ablösesummen der Spieler auf ein deutliches niedrigeres Niveau sinken wird. Ich zeige mein Mitgefühl für das Leid der Fussballprofis indem ich spontan ´Ode an die Freude´ vom Balkon schmettere. Irgendetwas schmettert zurück.

 

22:15

Ich erwache aus meiner Bewusstlosigkeit. Meine Freundin ist heute schon nach lächerlichen 17 Stunden von der Arbeit zurück und verarztet die Platzwunde an meinem Kopf, welche durch einen geworfenen Stein verursacht wurde. Unsoziale Kulturbanausen.

 

22:30

Da aus verständlichen Gründen mein tägliches Masturbieren für die arbeitslosen Prostituierten ausfallen muss (Anm.d.Red.: Es ist saukalt, weil mein Balkon auf der Wetterseite liegt), sehe ich meiner Freundin zu, wie sie das Abendessen zubereitet. Wurde auch Zeit, schließlich soll man nicht so spät essen.

 

23:15

Während meine Freundin die Küche aufräumt klagt sie über ihre Situation und dass sowieso hinterher wieder nichts aus der Krise gelernt wird. Ich sage ihr, sie solle sich nicht so anstellen, schließlich müsse sie nicht wie alle anderen um ihren Job bangen und es wäre selbstverständlich, wenn es dafür später nicht mehr Geld gäbe.

 

23:45

Da meine Freundin noch ein paar Berichte schreiben muss, die über den Tag liegen geblieben sind, gehe ich schon mal ins Bett. War schließlich ein harter Tag im Homeoffice.

 

 

(Anm.d.Red.: Den vorliegenden Tagesablauf habe ich natürlich frei erfunden – bis auf die kursiv gedruckten Stellen natürlich - Jede Ähnlichkeit mit infizierten oder nicht infizierten Personen wäre rein zufällig – bleibt gesund oder habt alternativ einen milden Infektionsverlauf! Je nachdem welche Strategie ihr für besser erachtet!)